Sorten erhalten, Biodiversität fördern und Ernährungssicherheit verbessern

Artikel, 17.05.2018

Die DEZA unterstützt Saatgutbanken um Sorten zu erhalten und Kleinbäuerinnen Zugang zu qualitativ gutem Saatgut zu ermöglichen. Die Aus- und Weiterbildung von Kleinbäuerinnen in der Produktion von gesundem Saatgut und in Unternehmensführung ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Letzteres ermöglicht das Überführen einer Saatgutbank in ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen. Dieser Ansatz wird nun in Uganda in die nationalen Gesetzgebungen integriert. Dies ist die Basis für den Aufbau von Saatgutbanken in weiteren Regionen des Landes.

Eine Bäuerin erklärt die Eigenschaften verschiedener Bohnensorten, die in der Saatgutbank in Kiziba auf einem rosa Gestell gelagert werden.
Dank der Auswahl an verschiedenen Bohnensorten in Kiziba verfügen die Bäuerinnen immer über Saatgut und finden geeignete Sorten für den Anbau in schwierigen klimatischen Bedingungen. © DEZA

Verbesserte Ernährungssicherheit dank Saatgutbanken

In Kiziba in Uganda stellten 2008 Kleinbäuerinnen gemeinsam mit Forschern der nationalen Forschungsorganisation und «Bioversity International» fest, dass einige der traditionell angepflanzten Bohnensorten nicht mehr angepflanzt wurden. Von einigen Sorten war das Saatgut schlicht nicht mehr erhältlich, von anderen war das Saatgut von mangelnder Qualität.  Ein Qualitätskontrollsystem, welches sicherstellt, dass das mit Nachbarn oder Verwandten getauschte oder erworbene Saatgut nicht krank ist oder eine gute Auflaufquote aufweist, existierte nicht. Die Idee der Gründung einer Saatgutbank war geboren.

Die DEZA unterstützt mit dem Projekt «Verbesserung von Saatgutsystemen für die Ernährungssicherheit von Kleinbäuerinnen» in verschiedenen Ländern des Südens u.a. in Uganda den Aufbau von Saatgutbanken. Nur 15% des in Uganda verwendeten Saatgutes stammt aus dem formellen staatlich kontrollierten System. Die restlichen 85% stammen aus dem informellen System, beispielsweise durch Nachzucht des eigenen Saatgutes oder Tausch mit Verwandten oder Nachbarn.

Saatgutsysteme verbessern um Ernährungssicherheit von Kleinbäuerinnen zu erhöhen 

Dramatischer Verlust von Agro-Biodiversität

Weltweit existierten schätzungsweise rund 7000 verschiedene Pflanzenarten, die für die menschliche Ernährung gebraucht werden. Heute liefern Reis, Mais und Weizen mehr als 50% aller pflanzlichen Kalorien. 75% der menschlichen Ernährung stammt von insgesamt zwölf Pflanzen- und fünf Tierarten. Die Vielfalt der landwirtschaftlich genutzten Pflanzenarten und -sorten nahm in den letzten 100 Jahren stark ab. In China existierten beispielsweise 1949 mehr als 10'000 lokale Weizensorten, heute werden weniger als 1'000 noch angebaut. Gemäss der Welternährungsorganisation FAO haben wir 75% der Pflanzenvielfalt, die ursprünglich unserer Ernährung diente, bereits verloren.

DEZA-Projekt steigert Ernte und Selbstvertrauen

Wenn die betroffenen Bäuerinnen und Bauern heute zurückschauen und beschreiben, wie sich ihr Leben durch die Teilnahme am Projekt verändert hat, nennen sie zuerst ein höheres Einkommen, die verbesserte Ernährungssicherheit, aber auch die Sicherheit, dass jederzeit Saatgut vorhanden ist. Durch die vorhandene Diversität von Saatgut können nun auch in Jahren mit schwierigen klimatischen Bedingungen oder in schlechten Böden Erträge erzielt werden. Des Weiteren wurde von den Kleinbäuerinnen – meist sind es die Frauen, die für den Anbau von Bohnen und der Produktion von Saatgut verantwortlich sind – der Wissenstransfer zu den verschiedensten Themen als sehr positiv hervorgehoben. Dadurch wurden sie zu anerkannten und geschätzten Expertinnen in der Produktion von qualitativ gutem und zertifiziertem Saatgut, was wiederum ihr Selbstvertrauen stärkte. Eine der Bäuerinnen gewann gar den Wettbewerb der besten Bäuerin bzw. des besten Bauers von Uganda. 

Aufbauen auf Diversität und Wissensaustausch - die Geschichte einer der besten Bäuerinnen in Uganda

Kleinbäuerinnen investieren in die Kiziba Saatgutbank

Die Kiziba Saatgutbank wurde 2010 eröffnet. Das Startsaatgutkapital stammte von lokalen Kleinbäuerinnen. Weitere Bohnensorten haben ihre Herkunft in anderen Regionen Ugandas und der nationalen Saatgutbank. Insgesamt wurden 100kg Bohnensaatgut von 49 verschiedenen Sorten an 100 Kleinbäuerinnen verteilt. Nach der Ernte gaben die Kleinbäuerinnen 200kg Saatgut an die Saatgutbank zurück, von wo aus es an neue Bäuerinnen verteilt wird. 

Mittlerweile profitierten mehr als 1000 Kleinbäuerinnen von der Saatgutbank. 2016 konnten bereits 1500kg Saatgut von 70 verschiedenen Sorten entliehen werden. Im gleichen Jahr konnte erstmals rund 40kg Saatgut produziert werden, das ein Qualitätskontrollsystem durchlaufen hat und zertifiziert wurde. Mittlerweile existieren im Rahmen dieses Projektes drei weitere Saatgutbanken in anderen Gemeinden und Regionen Ugandas.

Sortenkatalog und Diversität für eine sichere Ernte

Die spezifischen Eigenschaften jeder Bohnensorte wie Geschmack, Krankheitsanfälligkeit, Pflanzdauer oder auch die Marktnachfrage wurden in einem Sortenkatalog festgehalten. Diese Informationen erlauben den Kleinbäuerinnen gezielt die Sorten auszuwählen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Die hohe Anzahl an vorhandenen Sorten mit ihren verschiedenen Eigenschaften gibt den Bäuerinnen die Möglichkeit mehrere Sorten mit unterschiedlichen Eigenschaften gleichzeitig anzubauen, um so mögliche Risiken wie wenig Niederschlag zu antizipieren. Diese Diversität wird im Zusammenhang mit der Klimaveränderung künftig noch wichtiger werden und kann zu einer verbesserten Ernährungssicherheit der ärmeren Bevölkerung beitragen.

Aus- und Weiterbildung

Trainingsmodule schulen die Kleinbäuerinnen zu den verschiedensten Themen, wie der Herstellung von qualitativ gutem Saatgut oder der optimalen Saatgutlagerung. Das «Management-Komitee» der Saatgutbank, das für sämtliche Abläufe der Saatgutbank verantwortlich ist, wurde zusätzlich in Buchhaltung und Unternehmensführung geschult.

Kleinbäuerin steht auf einem Feld.
Dank der Aus- und Weiterbildung wurden die Kleinbäuerinnen zu anerkannten und geschätzten Expertinnen in der Produktion von qualitativ gutem und zertifiziertem Saatgut. © DEZA

Auf künftige Entwicklungen angesprochen nennen die Bäuerinnen und das «Management-Komitee» der Saatgutbank die steigende Nachfrage nach qualitativ gutem und zertifiziertem Saatgut. Um von dieser Entwicklung profitieren zu können, möchten sie die Saatgutbank in ein wirtschaftliches und profitorientiertes Unternehmen überführen.

Lokale Lösungen als Grundlage für nationale Richtlinien

Die Zielsetzung des von der DEZA finanzierten Projektes umfassen jedoch nicht nur Aktivitäten auf lokaler Ebene. Zusätzliches Engagement auf nationaler und globaler Ebene sollen nachhaltig und langfristig dazu beitragen die Biodiversität zu erhalten, die Ernährungssicherheit zu gewährleisten und die Aktivitäten auf lokaler Ebene festigen. 

Zu Beginn des Projektes regelte die Gesetzgebung Ugandas lediglich das formelle Saatgutsystem. Dies beinhaltet die Zertifizierung von Saatgut, die sicherstellt, dass das Saatgut gesund ist. Alle Bäuerinnen und Bauern wie auch die Saatgutbank sind jedoch auf gesundes Saatgut angewiesen, auch wenn jenes aus dem informellen System stammt. Mithilfe des Projektes konnte ein auf die lokalen Gegebenheiten und auf das informelle Saatgutsystem abgestimmtes Saatgut-Qualitätskontrollsystem eingeführt werden. Dank der positiven Ergebnisse dieses Ansatzes, wurde dieser bei der Überarbeitung der nationalen Gesetzgebung berücksichtigt und wird nun auch in anderen Regionen Ugandas angewendet.

Vom Äquator zum Nordpol

Die nationale Saatgutbank stellte der Kiziba Saatgutbank bei ihrem Aufbau verschiedene Sorten zur Verfügung, die in der Region Kiziba nicht mehr vorhanden waren. Andererseits konnten gewisse Sorten aus Kiziba, die noch nicht in der nationalen Saatgutbank enthalten waren, die dort bereits bestehende Sortenvielfalt ergänzen und so zur Erhaltung der Biodiversität beitragen. Vielleicht weist die eine oder andere Sorte Eigenschaften auf, die künftig aufgrund von Klimaveränderungen besonders gefragt sein werden. Nationale Saatgutbanken wiederum können Sicherheitskopien ihrer Sorten im «Global Seed Vault» in Svalbard, 1300 km vom Polarkreis entfernt, aufbewahren lassen. Der Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt (Global Crop Trust) ist für das Management des «Seed Vault» verantwortlich. Die DEZA unterstützt seit der Gründung des «Global Crop Trust» dessen Aktivitäten stark. Ziel des Saatgut-Tresors ist es, das genetische Pflanzenerbe zu schützen, für den Fall, dass Sorten der nationalen Saatgutbanken verloren gehen würden. Im Fall einer Katastrophe kann auf diese Sicherheitskopien zurückgegriffen werden. Möglicherweise ist auch eine Bohnensorte aus Kiziba im globalen Saatguttresor gelagert.