Renaissance des Filmschaffens im Südkaukasus

Artikel, 14.08.2013

Die georgische Regisseurin Rusudan Pirveli wurde in ihrer beruflichen Entwicklung von der DEZA unterstützt. Ihr Projekt Sleeping Lessons wurde für den Wettbewerb in der Sektion Open Doors des Filmfestivals Locarno ausgewählt.

Rusudan Pirveli (38) verkörpert den neuen georgischen Film und nahm bereits an mehreren renommierten Festivals teil. Sie führt nicht nur Regie, sondern ist auch in anderen Bereichen höchst aktiv. So gründete sie zum Beispiel in Tiflis eine Produktionsgesellschaft, die die Verbreitung kaukasischer Filme in aller Welt fördern soll.

Eines ihrer Projekte, Sleeping Lessons, nahm im Rahmen von Open Doors am Wettbewerb des Filmfestivals Locarno teil. Die Sektion Open Doors, die von der DEZA gefördert wird, widmet sich jedes Jahr einer Region, in der unabhängiges Filmschaffen noch einen schweren Stand hat. In diesem Jahr wurden Filmprojekte aus Armenien, Aserbaidschan und Georgien vorgestellt.

Was bedeutet die Einladung nach Locarno für Sie?

Ich bin wirklich sehr froh, dass mein Film für Open Doors ausgewählt wurde. Ich hätte einfach nicht die Mittel gehabt, hierher zu kommen, denn unsere finanziellen Möglichkeiten sind sehr eingeschränkt. Jeder Rappen, den ich sparen kann, wird in die Produktion eines Films investiert.

Dank Open Doors kann ich hier auch Filmschaffende aus meiner Region treffen – anderswo wären solche Treffen sehr schwierig zu organisieren.

Zudem möchte ich auf mein Projekt Sleeping Lessons aufmerksam machen, das hier erstmals ausserhalb von Georgien vorgestellt wird.

Dieser Film, den ich eines Tages drehen möchte, soll die besten Chancen erhalten. Und schliesslich möchte ich die Gelegenheit nutzen, um für mein nächstes Filmvorhaben zu werben, auch wenn es bisher nur als Exposé existiert.

Locarno ist wirklich der ideale Ort, um unsere Arbeit im Ausland bekannt zu machen. In den letzten Tagen habe ich nicht weniger als 29Treffen mit potenziellen Partnern gehabt. Solche Begegnungen und Gespräche sind sehr nützlich für meine Arbeit, und ich hoffe, eines Tages ergibt sich etwas Konkretes. Auf jeden Fall haben wir hier Gelegenheit, uns der Welt zu öffnen, und das ist in jeder Hinsicht von grossem Nutzen.

Kann das georgische Fernsehen Filme koproduzieren?

Nein, leider nicht. Eine Förderung ist erst nach der Fertigstellung eines Films möglich, und auch dann nur mit geringen – um nicht zu sagen lächerlich geringen – Mitteln. Wenn wir unsere Projekte verwirklichen wollen, bleibt uns daher nichts anderes übrig, als Gelder im Ausland zu finden, wie es ja auch in anderen Ländern der Fall ist. Ich kann dies im Namen aller meiner Kolleginnen und Kollegen im Südkaukasus sagen, denn wir sind alle in der gleichen Lage.

Vor etwa zehn Jahren nahmen Sie am Filmförderungsprogramm «AVANTI» teil, das von der DEZA unterstützt und im Südkaukasus von FOCAL umgesetzt wird. Welche Erfahrungen haben Sie damals gemacht?

Das Programm war von entscheidender Bedeutung für mich und für meine Karriere. In diesen Filmkursen habe ich alles gelernt, was ich für meinen Beruf brauche. Ich hatte mich für den Kurs über Kurzfilm angemeldet. Wir hatten bei dem Kurs in Tiflis grossartige Lehrer und Lehrerinnen, darunter zum Beispiel der Dramaturg und Drehbuchautor Antoine Jaccoud und die Filmemacherin Ursula Meier. Durch das Programm sind auch europäische Produzenten auf unsere Arbeiten aufmerksam geworden.

AVANTI bot uns die Möglichkeit, ein System kennenzulernen, von dem wir ausgeschlossen waren und so gut wie nichts wussten. Zum Beispiel haben wir gelernt, wie man reden muss, damit man von den Profis verstanden wird. Wir hatten auch das Glück, mit der Schweizer Filmverleiherin Christa Saredi zusammenzuarbeiten, die mit grosser Offenheit über ihren beruflichen Alltag berichtete.

Für viele von uns sind diese Kurse von grossem Nutzen gewesen. Wenn Sie die Liste der Teilnehmer an Open Doors ansehen, werden Sie feststellen, dass viele Regisseure bei AVANTI dabei waren. Darunter etwa meine Landsleute Rusudan Glurjidze, George Ovashvili und Alexander Kvatashidze, sodann Nika Shek aus Armenien oder auch Asif Rustamov aus Aserbaidschan. In Georgien hat AVANTI den Neuanfang der Filmproduktion ermöglicht und zum Wiederaufbau der Filmwirtschaft beigetragen.

Welche Rolle spielen die Kultur und der Film in Ihrer Region?

Die Konflikte, die unsere Region gezeichnet haben, führten dazu, dass alle Verbindungen zwischen unseren Ländern abbrachen. Heute ist jedes von ihnen weitgehend isoliert. Ich glaube, dass Kultur im Allgemeinen und Kino im Besonderen wirksame Mittel sind, um Verbindungen wieder anzuknüpfen und Brücken wieder aufzubauen, die niemals hätten zerstört werden dürfen. Sicherlich bleibt noch vieles zu tun, doch der Anfang ist gemacht. Wenn man sich persönlich kennt, kann man sich besser verständigen. Dialog ist der einzige Weg, um friedlich miteinander umzugehen und voranzukommen.

Seit AVANTI bin ich überzeugt, dass wir in unserer Region gemeinsame Projekte lancieren müssen. Und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch deshalb, weil wir nur so etwas Stabilität und Vertrauen schaffen und nach vorn blicken können. Neben meiner Arbeit als Regisseurin habe ich eine Produktionsgesellschaft namens «Caucasian Filmodrom» gegründet. Der Name zeigt, dass es uns nicht nur um die Förderung des georgischen Films geht: Wir wollen Koproduktionen entwickeln und realisieren, denn ich bin fest davon überzeugt, dass es unseren kleinen Ländern nur durch Zusammenarbeit gelingen wird, sich zu erholen und gemeinsam eine friedlichere Zukunft zu schaffen. Nur so wird die Lage im kulturellen wie auch in allen anderen Bereichen besser werden.

  • AVANTI. Die DEZA hat in Zusammenarbeit mit FOCAL, der Stiftung Weiterbildung Film und Audiovision, zwischen 2002 und 2011 im Südkaukasus ein Filmförderungsprogramm eingerichtet. AVANTI sollte der Filmkultur im Kaukasus neue Impulse geben und unterstützte namentlich die Dreharbeit vor Ort.
  • AWARD: Dank Sleeping Lessons, hat Rusudan Pirveli den CNC-Preis des «Centre national du cinéma et de l’image animée» im Wert von 7000 EUR des Open Doors 2013 gewonnen.

OPEN DOORS

Open Doors am Filmfestival Locarno ist ein Labor für Koproduktionen, das vor allem von der DEZA unterstützt wird.

Schwerpunkt der elften Ausgabe vom 10. bis 13.August 2013 waren Filme aus dem Südkaukasus, der Region zwischen Asien und Europa.

Zwölf südkaukasische Regisseure und Produzentinnen stellten ihre Filmprojekte vor, um deren Finanzierung und Realisierung sicherzustellen. Jedes Jahr werden die drei besten Projekte prämiert.