Ein Mitglied des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) verteilt Hilfsgüter.
In der Phase der Nothilfe stellte die Humanitäre Hilfe der Schweiz insgesamt 170 Tonnen Hilfsgüter für Haiti bereit. © DEZA

Am 12. Januar 2010 wurde Haiti von einem Erdbeben der Stärke 7 erschüttert. 230 000 Menschen starben und 1,5 Millionen Personen wurden obdachlos. Die Humanitäre Hilfe des Bundes führte ihre bisher grösste Nothilfeaktion durch, um den Opfern beizustehen. Heute engagiert sich die Humanitäre Hilfe für den Wiederaufbau und unterstützt das Risikomanagement vor Ort.

Die Humanitäre Hilfe der Schweiz reagierte sofort, als im Januar 2010 das Ausmass der Erdbebenschäden in Haiti bekannt wurde. Umgehend kam ein Team von 150 Experten des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) im Erdbebengebiet zum Einsatz. Die Experten waren in mehreren Bereichen tätig: Wasserversorgung, Hygiene, medizinische Versorgung, Wiederaufbau, Koordination und Logistik.

Das Erdbeben hinterliess Schäden in einem bisher unerreichten Ausmass. Über 230 000 Menschen kamen ums Leben, gegen 300 000 Personen wurden verletzt. Rund 1,5 Millionen Personen wurden obdachlos. Viele Menschen in Haiti waren physisch und psychisch traumatisiert.

Erste Interventionsphase: Nothilfe

Die Humanitäre Hilfe der Schweiz stellte insgesamt 170 Tonnen Hilfsgüter für die Erdbebenopfer bereit. Neben Zelten, Decken, Moskitonetzen, Wassertanks und Küchensets brachten die Flugzeuge aus der Schweiz ein komplettes Feldspital mit Operationstischen, Medikamenten und medizinischen Geräten nach Haiti. Das Hilfsmaterial wurde von den SKH-Experten in Empfang genommen und verteilt. Angesichts der Opferzahlen, der grossen Armut und des schlechten Strassenzustands in Haiti waren besondere Herausforderungen insbesondere im Sicherheits- und Logistikbereich zu meistern.

In den ersten Monaten nach der Katastrophe behandelte das medizinische Team des SKH über 800 Personen, nahm 620 chirurgische Eingriffe vor und half bei rund hundert Geburten, wobei zahlreiche Kaiserschnitte erforderlich waren. Viele Menschenleben konnten gerettet werden.

Die Schweizer Helfer verteilten Notfallkits und Material zum Bau von Notunterkünften. Da die meisten Trinkwasserverteilzentren in der Hauptstadt zerstört waren, stellten die Experten rund 50 Brunnen instand, die seither 50 000 Personen täglich mit Trinkwasser versorgen. Vor mehreren zerstörten Schulhäusern wurden Zelte aufgebaut, damit der Unterricht fortgesetzt werden konnte.
 

Haiti 2010: Schweizer Hilfe nach dem Erdbeben (Video)

Zweite Interventionsphase: nachhaltiger Wiederaufbau

In der zweiten Interventionsphase stand für die Humanitäre Hilfe der Schweiz der Wiederaufbau der schulischen Infrastruktur im Vordergrund. Im März 2010 beschloss der Bundesrat, 36 Millionen Franken für die Wiederaufbauarbeiten in Haiti bereitzustellen. Hinzu kamen Spendengelder der Glückskette und deren Partnerorganisationen in der Höhe von 66 Millionen Franken.

Das Engagement der Humanitären Hilfe erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den haitianischen Behörden und der internationalen Gemeinschaft. Nach dem Erdbeben erhielt die DEZA als erste Organisation die Bewilligung des haitianischen Bildungsministeriums zum Bau von permanenten Schulen. Im Januar 2011 wurde mit den Wiederaufbauarbeiten für zwei Schulen im Westen von Port-au-Prince begonnen. Fünf Jahre nach dem Erdbeben konnten den lokalen Behörden bisher drei neue Schulen übergeben werden. Sechs weitere Schulhäuser sind derzeit im Bau. Insgesamt werden 7900 Schülerinnen und Schülern davon profitieren. Bis 2017 sollen weitere Schulhäuser errichtet werden. Sämtliche Gebäude werden nach den Normen für erdbeben- und wirbelsturmsichere Bauten erstellt, damit sie weniger anfällig für Naturkatastrophen sind.

Technische Unterstützung und Schulungen im Rahmen des Wiederaufbaus

Im Juli 2010 eröffnete die DEZA in Port-au-Prince ein Kompetenzzentrum für den Wiederaufbau (Centre de compétence reconstruction, CCR), das sich aus Experten des SKH und des Privatsektors zusammensetzt. Das CCR ist an der Planung und Umsetzung der DEZA-Projekte beteiligt und steht den Partnern und involvierten staatlichen Einrichtungen beratend zur Seite. Das CCR unterstützt das haitianische Ministerium für öffentliche Arbeiten bei der Entwicklung und Verbreitung von Kernaussagen zu einfachen Bautechniken. Zudem informiert und sensibilisiert es die Öffentlichkeit für erdbeben- und wirbelsturmsicheres Bauen.

Auf Initiative der DEZA wurde Ende 2011 eine interinstitutionelle Fachgruppe zur Entwicklung von Schulprototypen gebildet. Die Architekten des SKH erarbeiteten drei Prototypen: Stahlbeton für zwei- bis dreistöckige Schulen in städtischer Umgebung, eingefasstes Mauerwerk für einstöckige Bauten in ländlichen Gebieten und eine Tragkonstruktion aus Holz für schwer erreichbare Regionen. Im April 2014 wurden die drei Schulprototypen per Ministerialdekret zum nationalen Standard erklärt. Heute spielt die DEZA eine führende Rolle im Rahmen der Informationsplattform zur Umsetzung der Prototypen.

Das CCR hat sich zudem zum Ziel gesetzt, die lokalen Kapazitäten zu stärken. In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Institut für Berufsbildung (Institut national de formation professionnelle, INFP) wurden Schulungsmodule für Maurer und Maurerausbildner entwickelt. Zwischen April 2011 und Januar 2014 erhielten über 550 Maurer und 50 Ausbildner ein Fortbildungsattest. In einer Reihe von theoretischen und praktischen Workshops wurden ausserdem Ingenieure des Ministeriums für nationale Bildung und Berufsbildung mit den Grundlagen des erdbeben- und wirbelsturmsicheren Bauens vertraut gemacht.

Vor diesem Hintergrund lancierte das CCR 2014 ein Projekt im Bereich Verminderung von Naturgefahren und Risikomanagement. Ziel ist die Verbreitung einer «gemischten» (sowohl wissenschaftlichen als auch partizipativen) Methode zur Risikoanalyse und die Definition von Präventionsmassnahmen. In diesem Rahmen sollen weitere nationale Experten ausgebildet werden.

Ein Mitglied des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) unterhält sich in Haiti mit Auszubildenden.
Das dem DEZA-Büro in Port-au-Prince angeschlossene Kompetenzzentrum CCR bildete zwischen April 2011 und Januar 2014 550 Maurer und 50 Maurerausbildner aus. © DEZA

Die Aktivitäten der DEZA für den Wiederaufbau in Haiti werden von Projekten zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Ernährungssicherheit begleitet. Haiti ist seit 2013 ein Schwerpunktland der DEZA.

Engagement der DEZA in Haiti