«Millionen Tonnen CO2 einsparen»

Artikel, 21.12.2018

Indien hat landesweit einen neuen Standard für Energieeffizienz bei Wohngebäuden eingeführt. Die zusammen mit der Schweiz entwickelten Vorschriften führen zu Einsparungen bei Kühlung und Heizung und setzen ein Zeichen im Kampf gegen den Klimawandel.

Das Krankenhaus in Pune ist ein grosses weisses Gebäude umringt von Bäumen. Im Vordergrund stehen Holzbaracken.
Die vom Projekt BEEP unterstützten oder ausgezeichneten Gebäude stehen in ganz Indien. Im Bild das jüngst eingeweihte Krankenhaus in Pune. © BEEP

In Indien gibt es einen riesigen Bedarf an Wohnungen. Es wird davon ausgegangen, dass rund 75% aller Wohnungen und Häuser, die bis 2030 benötigt werden, noch gebaut werden müssen.

Ein neuer Baustandard führt zu grossen Einsparungen bei den Energiekosten und beim CO2-Ausstoss. DEZA-Vizedirektor Pio Wennubst erklärt die Zusammenhänge.

Pio Wennubst
Pio Wennubst © DEZA

Pio Wennubst, Indien hat vor einigen Tagen bekannt gegeben, dass der gemeinsam von Indien und der Schweiz erarbeitete Standard für Energieeffizienz in Zukunft für alle Wohngebäude in Indien gültig sein wird. Was bringt das?

Es handelt sich beim «Indo-Swiss Building Energy Efficiency Project» (BEEP) um Indiens ersten Standard für energieeffiziente Wohngebäude überhaupt. Der Bausektor und der Betrieb von Gebäuden sind weltweit für fast 40% der CO2-Emissionen verantwortlich. Hier gibt es also ein enormes Einsparungspotenzial. Wenn neue Gebäude in Indien energieeffizient gebaut werden, können bis im Jahr 2030 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

Der grösste Anstieg im Energiebedarf wird in den kommenden Jahren auf das Kühlen von Gebäuden zurückzuführen sein. Momentan besitzen bloss 8% der Menschen in den heissesten Zonen Zugang zu Klimaanlagen (Im Vergleich: USA und Japan 90%). Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren stark zunehmen: Ein vor kurzem veröffentlichter Bericht der Internationalen Energieagentur geht davon aus, dass der weltweite Energiebedarf bis 2100 33 Mal höher ist als heute. Dieser Anstieg ist zu einem grossen Teil auf den zunehmenden Bedarf an Kühlung zurückzuführen.

Oft kaufen Menschen die günstigsten und am wenigsten effizienten Kühlanlagen. Zudem kommt die Energie oft aus Kohlekraftwerken, was die Treibhausgase massiv ansteigen lässt. Mit dem Baustandard sollen die Tage pro Jahr, an denen der Betrieb einer Klimaanlage oder einer Heizung notwendig ist, reduziert werden. Somit kann massiv Energie eingespart werden, was wiederum gut fürs Klima ist.

Wie hängt denn die Entwicklung von Bauvorschriften mit Schweizer Entwicklungszusammenarbeit zusammen?

Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, welches alle betrifft. Wenn gerade in Schwellenländern, wo die meisten neuen Gebäude dieser Welt entstehen, die Häuser nach energieeffizienten Standards gebaut werden, können wir einen signifikanten Beitrag zur Limitierung des Klimawandels leisten, dessen Auswirkungen vor allem die Ärmsten am stärksten betrifft. Zudem profitieren ärmere Bevölkerungsschichten auch direkt, da ihre Häuser in einer zunehmend heisseren Welt ein angenehmes Wohnklima haben und sich dadurch ihre Elektrizitätskosten reduzieren.

Die DEZA ist auch bestrebt, ihre Erfahrungen mit andern Schwellenländern zu teilen, daher unterstützt sie das «Energy Efficiency in Emerging Economies Programme» der Internationalen Energieagentur, welche in sechs Schwellenländern tätig ist (Mexiko, Brasilien, China, Südafrika, Indien, Indonesien). Die Erfahrungen aus Indien konnten direkt in dieses Programm eingespeisten werden.

Wie hat die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Indien in diesem Fall funktioniert? Was konnte die Schweiz einbringen?

Die Schweiz ist seit 70 Jahren in Indien tätig. Sie unterstützt bereits seit den 1990er Jahren Projekte im Bereich Energieeffizienz. Viel hat also mit der langjährigen Zusammenarbeit und dem Vertrauen ineinander zu tun.

Zudem hat die Schweiz in Indien ein enorm gutes Renommee. Sie steht für Sauberkeit, Präzision und Effizienz. Im energieeffizienten Bauen hat die Schweiz sehr grosse Erfahrung vorzuweisen. Als der erste Schweizer Baustandard vor fast 40 Jahren veröffentlicht wurde, verbrauchte ein durchschnittliches Schweizer Gebäude 20 Liter Heizöl pro Quadratmeter. Heute sind es für ein energietechnisch renoviertes Gebäude noch 6 Liter und für ein neues Gebäude noch 4 Liter.