Regionalradios als Katalysatoren der Demokratie

Projekt abgeschlossen
Mit dezentralen Redaktionen können Regionalradios besser auf die Bedürfnisse ihrer Hörerinnen und Hörer eingehen. © DEZA

Nach der Revolution 2011 in Tunesien wurde die Stiftung Hirondelle von der DEZA beauftragt, Radio Tunisienne, das nationale Radio von Tunesien, zu professionalisieren. Einer der Regionalsender, Radio Gafsa, erhielt fachliche und finanzielle Unterstützung mit dem Ziel, ein öffentliches Informationsorgan aufzubauen, das zuverlässig und unabhängig berichtet. Das Projekt wurde in der Folge auf vier weitere Regionalsender ausgeweitet.

Land/Region Thema Periode Budget
Tunesien
Governance
Rechtsstaatlichkeit - Demokratie - Menschenrechte
Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT)
Dezentralisierung
01.08.2015 - 30.11.2016
CHF  921’066

Nach der Flucht des ehemaligen tunesischen Präsidenten Ben Ali musste 2011 alles wieder aufgebaut werden: die nationalen Institutionen ebenso wie das Vertrauen der tunesischen Bevölkerung in ihre Behörden. Die Schweiz unterstützt Tunesien mit verschiedenen Programmen und Kooperationsprojekten. Die DEZA legt den Schwerpunkt dabei auf die Stärkung der öffentlichen Medien. Dies aufgrund der Erkenntnis, dass die Produktion und Verbreitung von vielfältigen und qualitativ hochstehenden Informationen den Demokratisierungsprozess fördert.

Vom staatlichen Sprachrohr zum Service public
Auf Initiative der DEZA ersuchte Radio Tunisienne, das nationale Radio von Tunesien, die Stiftung Hirondelle um Unterstützung bei seiner schrittweisen Umwandlung von einem staatlichen Sprachrohr in einen Sender im Dienst der Öffentlichkeit.

Die Zeit war knapp. Ab dem Sommer 2011 trafen alle tunesischen Medien Vorbereitungen für ihre Berichterstattung über die Wahlen der konstituierenden Nationalversammlung. Zu Beginn des Projekts unterstützte die Stiftung Hirondelle alle neun Regionalsender von Radio Tunisienne bei ihrer Berichterstattung über die Wahlkampagne. Danach konzentrierte sich die Stiftung auf einen dieser Sender, Radio Gafsa im Südwesten Tunesiens.

Die Zusammenarbeit mit Radio Gafsa war kein Zufall. Zu seinem Sendegebiet zählen die Provinzen Kasserine, Sidi Bouzid, Tozeur und Kélibi, wo die Unruhen, die zur Revolution führten, ihren Anfang nahmen. Die Idee war es, Informationen aus den entlegensten Regionen Tunesiens zu verbreiten und Bevölkerungskreisen eine Stimme zu geben, die bis dahin zu wenig oder gar nicht beachtet wurden.

Verbesserte Programmqualität
Während zweieinhalb Jahren erhielt Radio Gafsa weitreichende technische und finanzielle Unterstützung. Zunächst wurde die Qualität der Programme durch konkrete Massnahmen verbessert: Verhalten am Mikrofon, Musikauswahl, Einführung von Redaktionssitzungen, Nutzungsstudien, neue Programmstruktur usw.

Auch die organisatorischen Kapazitäten des Senders wurden ausgebaut. Radio Gafsa hat fünf Regionalbüros mit zehn Korrespondenten eröffnet und hat damit seine Präsenz in der Region verstärkt. Die Korrespondenten sind in einem Netz zusammengeschlossen und berichten für alle neun Stationen von Radio Tunisienne täglich über das lokale Geschehen. Auf nationaler Ebene erreichen sie damit insgesamt 1,5 Millionen Hörerinnen und Hörer.

Die erzielten Fortschritte zeigen sich an den deutlich gestiegenen Hörerzahlen von Radio Gafsa. Aus dem früheren Sprachrohr des Regimes ist ein glaubwürdiger und verlässlicher Informationskanal geworden.

Einhaltung der Standesregeln
Dies bedingt eine strikte Einhaltung der Standesregeln durch die Medienschaffenden. Um dies zu gewährleisten, haben die Experten der Stiftung Hirondelle das Weiterbildungsangebot für Journalistinnen und Journalisten stark ausgebaut. Die neu geschaffenen Redaktionssitzungen ermöglichen den täglichen Austausch im Team. Neben der Diskussion über die Inhalte der Berichterstattung werden mögliche Problempunkte angesprochen, wodurch sich das Risiko von Beschwerden verringert.

Ausweitung der Partnerschaft
Die eingeleiteten Reformen werden zurzeit auf zwei weitere Regionalsender von Radio Tunisienne ausgeweitet: Radio Kef (im Nordwesten) und Radio Tataouine (im Südosten). Dank der Einsetzung eines weiteren Dutzends von Lokalkorrespondenten zählten auch diese zwei Stationen nach kurzer Zeit zu den meistgehörten Radiosendern in ihrer Region. Die Korrespondenten berichteten in unzähligen Reportagen äusserst professionell über die Parlamentswahlen vom Oktober 2014.

Bis heute haben rund 250 tunesische Radioschaffende aus allen Berufsbereichen eine Weiterbildung der Stiftung Hirondelle absolviert. Im Sommer 2015 wurde das Angebot auf die zwei verbleibenden Regionalsender von Radio Tunisienne – Radio Sfax und Radio Monastir – ausgedehnt.

Parallel dazu führt die DEZA einen ständigen Dialog mit den Führungsverantwortlichen des nationalen Radios, um die Nachhaltigkeit der umgesetzten Änderungen zu sichern. Mit Erfolg: Zwanzig der zuvor von der Stiftung Hirondelle besoldeten Regionalkorrespondenten stehen ab 2016 bei Radio Tunisienne unter Vertrag.