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Medienmitteilungen
Medienmitteilungen
Danish Karokhel nimmt einen blauen Ordner aus dem Gestell in seinem spärlich beleuchteten Büro und blättert durch die Kopien von E-Mail-Drohungen, die die Nachrichtenagentur Pahjwok von den Taliban erhalten hat. Karokhel liest und übersetzt ein E-Mail: Die Taliban beschweren sich wegen einer Reportage über einen Angriff, der zunächst den Taliban zugeschrieben wurde. Die Autoren des E-Mails geben der Agentur eine Woche Zeit, den Fehler zu «korrigieren». Andernfalls würden sie «Massnahmen ergreifen», da es sich beim Reporter um einen «Sprecher der Marionettenregierung» handeln müsse.
Karokhel grinst breit, schliesst den Ordner und legt ihn beiseite. Der Verleger und Journalist lacht oft, selbst wenn er über die Drohungen spricht, die die Agentur jeden Monat erhält, oder über die«Regierungsangehörigen», die gegen Medienfreiheit sind und regelmässig Reporter bedrohen. Damit beweist er, dass in Afghanistans gefährlicher Medienlandschaft Humor eine wichtige Überlebensstrategie ist.
Von 0 auf 50 in 11 Jahren
Der beispiellose Boom der afghanischen Medien in den letzten elf Jahren ist hauptsächlich der Unterstützung durch die ausländische Gebergemeinschaft zu verdanken. Während es 2001 nur einen von den Taliban betriebenen Radiosender gab, zählt das Land heute 150 unabhängige Lokalradios, 50 kommerzielle TV-Sender, eine Handvoll Zeitungen sowie den staatlichen Fernsehsender RTA. Trotz der Vielfalt an Medienbetrieben und neuen Gesetzen leben afghanische Medienschaffende in der Zwickmühle: Sie müssen zwischen Drohungen und Schikanen von Seiten der Taliban und der Regierungsmitgliedern navigieren.
Mit dem im Zusammenhang mit dem Rückzug der ausländischen Truppen erwarteten Wirtschaftsrückgang 2014 sowie dem unsicheren Ausgang der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr sind die Zukunft der afghanischen Medienvielfalt und der Pressefreiheit in der Schwebe. Offen ist, wie viele dieser unabhängigen Medienbetriebe überleben werden und wie frei Medienschaffende berichten können.
Von verschiedenen Seiten unter Druck
Pahjwok, das in den beiden Amtssprachen Afghanistans – Dari und Paschto – «Echo» bedeutet, wurde im März 2004 gegründet. Zunächst war es ein Projekt des britischen Institute for War and Peace Reporting (IWPR), das rund 1000 afghanische Journalistinnen und Journalisten in acht Regionen des Landes ausbildete. Unter den Ausbildnern war auch Karokhel. 2005 löste sich Pahjwok vom IWPR und wurde eine unabhängige Nachrichtenagentur, die aber immer noch teilweise auf ausländische Hilfe angewiesen ist, um die Agentur mit ihren 70 Redaktionsmitgliedern (davon elf Frauen) zu betreiben. 2008 erhielten Karokhel und Farida Nekzad, leitende Redakteurin, vom Committee to Protect Journalists den «International Press Freedom Award».
Karokhel spricht viel über Qualität und Ausgewogenheit. Trotz der schwierigen Umstände, in denen afghanische Journalisten arbeiten, legt die Agentur grossen Wert darauf. Er erklärt warum.
Auf der einen Seite stehen die Taliban. Als sie an die Macht kamen, liessen sie Fernsehgeräte zerstören. Heute betreiben sie aktiv Medienarbeit, sie unterhalten eine Website mit Videoaufnahmen und haben eigene Sprecher. Gemäss einem Bericht von der BBC verschicken sie nicht nur Droh-E-Mails, sondern üben auch Druck auf die Medien aus, wenn diese ihre Erklärungen nicht veröffentlichen.
Auf der anderen Seite steht die Regierung, die gemäss Karokhel in drei bis vier Gruppen aufgeteilt werden kann. Präsident Hamit Karzai setze sich für eine unabhängige und freie Presse ein. Er werde in den Medien häufig kritisiert und stelle sich auch harten Interviewfragen. «Er will freie Medien», sagt Karokhel. Wer nächstes Jahr auf ihn folgt, ist noch nicht klar. Aber afghanische Medienschaffende sind besorgt: «Wir glauben nicht, dass wir die gleiche Freiheit haben werden wie in den letzten zehn Jahren.»
«Sie mögen uns nicht»
Es gibt auch gewisse Regierungsvertreter, «die die Medien nicht mögen, die nicht wollen, dass wir investigativen Journalismus betreiben, sie arbeiten nicht mit uns zusammen. Manchmal interveniert Karzai, wenn Gruppen oder Personen Medienunternehmen bedrohen oder belästigen», sagt Karokhel.
Und da sind auch die Provinzregierungen. «In Kabul kennt die Regierung die Medien, wir sind hier eine starke Gruppe. Es gibt weniger Sicherheitsprobleme. Anders ist es in den Provinzen, wo die Regierungsvertreter die Gesetze und Rechte zum Schutz von Journalisten nicht kennen, und ihnen Schwierigkeiten bereiten», meint Karokhel. «Wenn irgendjemand einem Journalisten in einer der Provinzen Schwierigkeiten bereiten will, so kann er dies, aber in Kabul ist es schwieriger.»
In einigen Provinzen werden Medienschaffende bestochen. «Das ist auch eine Art von Druck auf die Medien und ihre Unabhängigkeit», sagt Karokhel. Wenn das Redaktionsteam von Pahjwok feststellt, dass die Artikel eines Reporters plötzlich viele lobende Worte für die Provinzregierung enthalten und jegliche Kritik fehlt, muss das Team in gewissen Fällen den Reporter ersetzten, um die journalistische Objektivität der Agentur zu wahren.