12.12.2016

Speaker: Pascale Baeriswyl

Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Lieber Herr Direktor
Sehr geehrter Herr Botschafter
Lieber Herr Aeschlimann
Meine Damen und Herren

Die Rückführung gestohlener Gelder an die Bevölkerung der betroffenen Herkunftsländer ist – wie wir es vorher von Direktor Balzaretti gehört haben - ein wichtiges Ziel der schweizerischen Aussenpolitik. Gleichzeitig haben wir es mit einem komplexen und vielschichtigen Prozess mit vielen Hürden – einem Hürdenlauf sozusagen - zu tun.

Der heutige Tag bietet Ihnen, meine Damen und Herren, die Gelegenheit, die einzelnen Etappen chronologisch zusammen mit den involvierten Akteuren zu erleben – oder, falls wir in der Hürdenmetapher bleiben wollen, zu überspringen.

Wir befinden uns nun ganz am Anfang dieses Prozesses den Botschafter Matthiessen vorher so schön „ein Tryptichon“, ein „Dreierprinzip“ nannte: bei der vorsorglichen Sperrung von Vermögenswerten. Die vorsorgliche Sperrung ist deshalb so bedeutsam – wir haben es vorher gehört - weil sie Ausgangspunkt und Bedingung für alle weiteren Etappen ist: für die Ermittlungen zur Legalität der Herkunft der Gelder sowie für deren eventuelle Rückführung an den Herkunftsstaat.

Ich möchte Ihnen heute Vormittag die Beweggründe erläutern, welche den Schweizer Bundesrat dazu veranlassen, solche Sperrungen anzuordnen und ich spreche weniger als Staatssekretärin zu Ihnen, denn als eine, die mit am Steuer sass, als wir im Februar 2014 für den Bundesrat letztmals eine Sperre – jene zur Ukraine - vorbereiteten.

Es freut mich, dies im Beisein von Botschafter Matthiessen und Herrn Aeschlimann von der Bank Edmond de Rothschild zu tun. Denn dies veranschaulicht exemplarisch die Vielfältigkeit der involvierten Akteure und die Bedeutung einer effizienten Zusammenarbeit.

HISTORISCHER RÜCKBLICK

Asset Recovery: eine Herausforderung für die Schweiz

Um die aktuelle Politik der Schweiz im Bereich der vorsorglichen Sperrungen zu illustrieren, lohnt sich ein kurzer Blick in die Vergangenheit.

Erinnern wir uns: als in den 1980er Jahren korrupte ausländische Machthaber gestohlene Gelder in grossem Umfang auf Schweizer Bankkonten deponierten und unser Land als sicherer Hafen für Potentatengelder galt, sahen wir uns wachsendem internationalem Druck ausgesetzt. Wie wir gehört haben, reagierte der Bundesrat mit einer für die damalige Zeit sehr innovativen Massnahme: mit der vorsorglichen Sperrung der Vermögenswerte des ehemaligen philippinischen Diktators Ferdinand Marcos.

Auf die Sperrung der Marcos-Gelder folgten jene des haitianischen Kleptokraten Duvalier (Haiti/1986) und des kongolesischen Präsidenten Mobutu (Dem. Rep. Kongo/1997). In Zusammenarbeit mit den Banken, welche die Sperrungen umsetzten, konnte den Herkunftsstaaten so die notwendige Zeit eingeräumt werden, um strafrechtliche Ermittlungen gegen die ehemaligen Machthaber einzuleiten und Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen.

Über viele Jahre war die Schweiz das einzige Land, das präventiv mutmasslich gestohlene Gelder sperrte. Diese proaktive Politik war neu; die Schweiz geriet dadurch aber gleichzeitig auch ins Visier medialer Kritik und zwar doppelt: Von jenen, die aufgrund unserer Offenheit behaupteten, der Grossteil aller Potentatengelder liege bei uns , aber auch von jenen, die befanden, der Schweizer Finanzplatz erleide durch diese Politik einen Standortnachteil. Die Ausführungen von Botschafter Matthiessen zu den Ereignissen in der arabischen Welt und der Ukraine zeigen, dass die Schweiz inzwischen nicht mehr isoliert handelt. Es hat ein internationaler Paradigmenwechsel stattgefunden, den ich kurz erläutern möchte.

INTERNATIONALER PARADIGMENWECHSEL

Asset Recovery: eine Herausforderung für die internationale Gemeinschaft

Nach der Verabschiedung der Antikorruptionskonvention der Vereinten Nationen im Jahr 2003 verstärkten sich weltweit die Anstrengungen im Kampf gegen Korruption. Parallel dazu wurden zahlreiche multilaterale Mechanismen bspw. der Weltbank, der OECD oder der UNO ins Leben gerufen, welche ihre Mitgliedstaaten vermehrt dazu anhalten, eine effiziente Politik zur Rückführung gestohlener Gelder zu entwickeln.

Als dann im Jahr 2011 im Zuge der Umwälzungen in der arabischen Welt zusätzlich der Druck der internationalen Medien auch auf andere Finanzplätze stieg, sahen sich mehrere Staaten dazu veranlasst, ebenfalls zu handeln. So war es nicht mehr die Schweiz allein, die Vermögenswerte der damaligen Machthaber Tunesiens und Ägyptens sperrte, sondern auch die EU oder Kanada. Lassen Sie mich anfügen, dass natürlich nach wie vor nicht alle Finanzplätze mitziehen. Genau deswegen engagiert sich die Schweiz multilateral, damit unser Finanzplatz – wie es im Fachjargon heisst – von einem „Level Playing Field“ profitieren kann.

Die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit führte – unter dem Lead der USA und der G8 – im Jahr 2012 auch zur Schaffung des Arab Forum on Asset Recovery. Dieses Forum – das wir im Jahr 2014 auch erstmals für die G7 in der Schweiz organisierten - bringt bis heute Länder mit bedeutenden Finanzzentren und arabische Staaten zusammen, um Demokratisierungsprozesse zu begleiten und die Bemühungen zur Rückführung gestohlener Gelder zu unterstützen.

Und das arabische Forum stellte sich als gute Lehrstube für die internationale Gemeinschaft heraus, denn als im Februar 2014 die Frage aufkam, ob Vermögenswerte des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch zu sperren seien, koordinierten wir uns hinsichtlich der Vermögenssperre erstmals von Beginn weg vorbildlich.

PRAKTISCHE UMSETZUNG EINER SPERRUNG

Beweggründe des Bundesrats

Aber lenken wir den Fokus zurück auf die Schweiz und die politischen Überlegungen und rechtlichen Voraussetzungen, welche eine vorsorgliche Sperrung durch den Bundesrat rechtfertigen.

Wie von Direktor Balzaretti eingangs erläutert, stützt sich der Bundesrat bei der Anordnung einer vorsorglichen Sperrung seit dem 1. Juli dieses Jahres auf unser neues Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen, sogenannter PEP.

Auf der Grundlage dieses Gesetzes handelt der Bundesrat in drei Schritten: er beobachtet, entscheidet und setzt um.

Beobachten heisst, dass die Hauptakteure möglicherweise korrupter Regimes nicht von heute auf morgen auf den Radar der Schweiz geraten. Bereits in den Jahren vor einem möglichen politischen Umsturz stehen autokratisch geführte Staaten, die sich durch Korruption, schwache Institutionen oder eine schlechte Menschenrechtssituation auszeichnen, unter unserer Beobachtung.

In dieser Phase ist es wichtig, zu verhindern, dass gestohlene Gelder in die Schweiz gelangen. Das Schlüsselwort heisst Prävention. Und hier liegt die Hauptverantwortung bei den Schweizer Finanzintermediären, welche durch die Regeln der Geldwäschereigesetzgebung zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet werden. Herr Aeschlimann wird uns nachher sicher darlegen, wie Banken und Finanzintermediäre diese Verantwortung in der Praxis wahrnehmen.

Entscheiden: Gibt es Hinweise, dass unrechtmässig erworbene Gelder trotz dieser Vorsichtsmassnahmen auf unseren Finanzplatz gelangt sind, setzt die Schweizer Regierung alles daran, diese rasch zu identifizieren und vorsorglich zu sperren. Sie berücksichtigt dabei folgende Voraussetzungen:

  1. Es muss genügend Hinweise geben, die vermuten lassen, dass in der Schweiz Vermögenswerte liegen, die unrechtmässig erworben wurden.
    Der notorisch hohe Korruptionsgrad bspw. in der Ukraine war ein Kriterium für eine solche Vermutung und Berichte über ins Ausland geschafftes Geld erhärteten diese.
  2. Die neue Regierung im Herkunftsstaat bringt ihren politischen Willen für eine strafrechtliche Aufarbeitung und eine Rechtshilfezusammenarbeit zum Ausdruck.
    Als beispielsweise feststand, dass die neue ukrainische Regierung Rechtshilfebeziehungen mit der Schweiz aufnehmen wollte, gehörten wir – zusammen mit Österreich und Liechtenstein - zu den ersten drei Staaten, die eine Sperrung anordneten. Gleichzeitig boten wir der Ukraine technische Unterstützung an. Sie werden dazu später von unseren Partnerinnen und Partnern des Bundesamtes für Justiz, der Bundesanwaltschaft sowie – was die technische Expertise anbelangt – von der DEZA und dem Basel Institute on Governance, das die Ukraine vor Ort direkt unterstützt, noch mehr erfahren.
  3. Eine weitere wichtige Komponente betrifft – wie erwähnt – die internationale Koordination. Dies weil die Vermögenswerte von PEP meist in komplexen Anlagestrukturen und auf mehreren Finanzplätzen angelegt sind. Eine Koordination in Bezug auf die Namensliste der PEP sowie die zeitliche Absprache mit anderen Finanzplätzen erhöhen die Effektivität der Massnahmen substanziell.
  4.  Und schliesslich muss der Bundesrat abschätzen, ob eine Sperrung der Wahrung der Schweizer Interessen dient. Durch den direkten Bezug zum Finanzplatz steht immer auch unsere Reputation auf dem Spiel.
    Wir haben kein Interesse, Gelder zu beherbergen, welche von Potentaten aus der Entwicklungshilfe abgezweigt wurden. Man kann – vereinfacht gesagt – nicht mit der einen Hand zurücknehmen, was mit der anderen gegeben wurde. Als Geberstaat legen wir deshalb grossen Wert darauf, dass Korruptionspraktiken in den Herkunftsländern entschlossen bekämpft werden.

Umsetzen: Ist die Sperrung angeordnet, gelangen wir zu einem weiteren Schnittstellenbereich mit den Banken. Im konkreten Fall erlässt der Bundesrat eine Verordnung, die eine Namensliste von PEP enthält.

Die Sperrungsverordnung allein sagt allerdings nichts darüber aus, ob sich effektiv Gelder auf dem Schweizer Finanzplatz befinden, resp. ob diese illegal erworben wurden. Es gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung und eine betroffene Person, die sich ihrer Meinung nach zu Unrecht auf der Liste befindet, kann jederzeit die Streichung ihres Namens beantragen und geniesst dafür alle notwendigen, rechtstaatlichen Mittel.

Für die Finanzintermediäre bedeutet eine Sperrungsverordnung, dass sie den betroffenen Personen weder Geld aushändigen noch Geld von ihnen entgegen nehmen dürfen. Ebenso müssen sie die Vermögenswerte melden. Verletzen sie diese Sorgfaltspflicht, können sie sich strafbar machen. Als Regierung sind wir also auf eine gute Koordination mit den Banken angewiesen und ich kann gerne anfügen, dass dies in der Praxis auch gut funktioniert.

SCHLUSS

Meine Damen und Herren, wie der Titel dieser Tagung sagt, ist die Rückführung von Potentatengeldern eine gemeinsame Verantwortung: mit der Anordnung einer vorsorglichen Sperrung macht die Schweiz den ersten Schritt und setzt ein Zeichen, dass sie kein Hort für unrechtmässig erworbene Gelder ist. Gleichzeitig entfalten diese Massnahmen erst dann Wirkung, wenn sie international mit anderen Staaten und intern mit den wichtigsten Akteuren des Finanzplatzes koordiniert sind.

Es ist mit dieser Bewusstseinsschärfung für die gemeinsame Verantwortung, mit der ich enden und die ich Ihnen, meine Damen und Herren, für den heutigen Tag mit auf den Weg geben möchte. Denn wie Sie sehen werden, zieht sich diese gleichsam magische Formel, „gemeinsame Verantwortung“ wie ein roter Faden durch den weiteren Verlauf des heutigen Tages. Es ist die Formel für den Erfolg.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.


Last update 29.01.2022

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