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Lieber Frank
Mister Solana
Meine Damen und Herren
Vielen Dank für die freundliche Einführung. Die Ukrainekrise hat viele negative Auswirkungen – für die Menschen im Kriegsgebiet, für die Ukraine als Land, für die europäische Sicherheit, für uns alle. Die Krise hat aber auch dazu geführt, dass zwischen unseren beiden Aussenministerien eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit und sogar Freundschaften entstanden sind.
Diese Zusammenarbeit wollen wir pflegen. Sie zeigt exemplarisch was es heisst, Verantwortung partnerschaftlich wahrzunehmen.
Ihren Review-Prozess verfolge ich mit grossem Interesse. Dass die Erwartungen an die Aussenpolitik Deutschlands zunehmen, ist nicht nur Ausdruck davon, dass Deutschland heute ein wirtschaftliches und politisches Schwergewicht ist. Es ist auch ein Zeichen des Vertrauens. Deutsche Aussenpolitik ist eine verantwortungsbewusste Aussenpolitik. Das ist eine stabile Basis für den Review Prozess.
Gelegentlich hören wir in dieser Debatte Warnrufe, dass Deutschland keine grosse Schweiz sein dürfe, sondern Verantwortung übernehmen müsse. Ich sehe die Sache natürlich anders: Deutschland als eine grosse Schweiz, das bedeutet eine deutsche Aussenpolitik, die Verantwortung wahrnimmt und gleichzeitig bürgernah ist. Eine Aussenpolitik auch, die einen starken Fokus auf zivile Beiträge an nachhaltige Konfliktlösungen legt und hierfür über ein breites Instrumentarium verfügt.
Gewiss: Militärische Mittel sind manchmal unverzichtbarer Bestandteil einer Konfliktbewältigung. Aber lösen lassen sich die heutigen komplexen Krisen nur mit einem vielfältigen zivilen Instrumentenkasten. Militärisches Engagement kann deshalb kein alleiniger Gradmesser für Verantwortung sein.
Meine Damen und Herren
Verantwortung gehört zu den Kernprinzipien der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz.
Mit unserer Neutralität geht eine besondere Verantwortung einher: Gerade in Krisenzeiten wie diesen soll die Schweiz ihre spezifischen Beiträge an Konfliktlösungen leisten. Sie kann Brücken zwischen Konfliktparteien bauen. Neutralität heisst Engagement.
Die eigenständige Aussenpolitik der Schweiz ist eine Chance. Als europäisches Land, das für europäische Werte einsteht aber nicht Mitglied der EU und der NATO ist, nimmt die Schweiz eine spezifische Rolle in der Friedensförderung wahr.
Sie tut dies bürgernah, indem sie ihre inneren Stärken zu Kernthemen ihrer Aussenpolitik macht:
Dialog, Kompromisssuche, Machtteilung – Machtteilung zwischen Volksgruppen oder auch zwischen Zentrum und Regionen –, das sind Elemente, die die Schweiz zu einem Hort von Frieden und Stabilität gemacht haben. Stabilität dank Konkordanz und Föderalismus.
Irak, Libyen, Ukraine – ein kurzer Blick auf die Konfliktkarte genügt, um zu verstehen, wie wichtig Fragen von Einbindung und Machtteilung auch für die Lösung aktueller Krisen sind.
Präsident Obama wurde kürzlich gefragt, wovon erfolgreiches Krisenmanagement heute abhänge. Was ist die Schlüsselerkenntnis aus den Interventionen der letzten Jahre?
Seine Antwort: „No victor, no vanquished“.
Nur wenn es keine Sieger, keine Besiegte gibt, sondern verhandelte Lösungen und Kompromisse, sind stabile Friedenslösungen möglich. Schon das Scheitern der Nachkriegsordnung nach dem Ersten Weltkrieg führte uns vor Augen, wie wichtig dieses Prinzip ist.
Die Schweiz und ihre Aussenpolitik stehen für das Prinzip der Machteilung, der Einbindung, wie sonst kaum jemand.
Wir haben in den letzten Jahren viel investiert, um ein ziviles Instrumentarium zu entwickeln, das auf heutige Konfliktlagen eine adäquate Antwort bieten kann.
Konkret heisst das: Wir haben eine Abteilung für menschliche Sicherheit aufgebaut, die über einen Rahmenkredit verfügt und gegen 100 Mitarbeitende umfasst. Dort befasst sich qualifiziertes Personal mit Themen wie Mediationsunterstützung, Dialog mit religiös motivierten politischen Akteuren, Föderalismus und anderen Bereichen der Friedensförderung.
In dieses Instrumentarium investieren wir auch deshalb, weil wir den Eindruck haben, dass die internationale Staatengemeinschaft zwar über adäquate militärische Mittel verfügt, wenn es um Konflikteindämmung geht, aber nach wie vor ungenügend mit zivilen Mitteln zur Prävention und Beendigung von Konflikten ausgerüstet ist.
Meine Damen und Herren
Die OSZE bietet für die Schweiz einen zentralen Rahmen, um die Prinzipien und Mittel unserer Friedensförderung zum Tragen zu bringen. Die OSZE ist eine inklusive Plattform für Dialog. Sie steht für kooperative, ungeteilte Sicherheit – für Brückenbauen und Kompromiss. Die OSZE setzt Normen, aber sie handelt auch.
Als vorsitzgeführte Organisation eröffnet sie der Schweiz in diesem Jahr besondere Gestaltungsräume. Dabei ist natürlich auch unser Vorsitzjahr stark von der Ukrainekrise geprägt.
Der Vertrauensverlust zwischen dem Westen und Russland und die Erosion europäischer Sicherheit treffen die OSZE ins Mark. Trotzdem ist es der OSZE in dieser Krise gelungen, sich als Rahmen für inklusiven Dialog und als Akteur der Krisenbewältigung neue Geltung zu verschaffen. Als Vorsitz haben wir hierfür so breit wie möglich auf den Instrumentenkasten der OSZE zurückgegriffen.
Dazu gehört die Förderung von Dialog und Lösungsansätzen durch CiO-Diplomatie und das Einsetzen von Gesandten wie Botschafterin Tagliavini und die Botschafter Guldimann und Ischinger. Ebenso hat die OSZE erstmals seit einem Jahrzehnt wieder zwei neue Feldmissionen lanciert (die Special Monitoring Mission to Ukraine sowie eine Beobachtermission an zwei russischen Grenzposten). Schliesslich haben wir eigenständig agierende OSZE-Institutionen wie ODIHR, die Hochkommissarin für Nationale Minderheiten und die Vertreterin für Medienfreiheit nach Kräften unterstützt.
In unseren Bemühungen, die Instrumente der OSZE in der Ukrainekrise zur Anwendung zu bringen, hat uns Deutschland umfassend unterstützt, wofür wir dankbar sind. Auch engagiert sich keine andere Regierung seit Monaten so stark für eine diplomatische Lösung der Krise wie die Bundesregierung.
Deutschlands Engagement in der Ukrainekrise zeigt exemplarisch, was mehr Verantwortung in der Aussenpolitik heissen kann und soll.
Und doch, trotz allem Engagement: Noch ist nichts gewonnen. Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt in dieser Krise – einmal mehr. Der Krieg hält an, die humanitäre Not wächst, eine weitere Eskalation der Krise ist nicht auszuschliessen.
Die Verantwortung gebietet es, dass wir uns weiterhin mit aller Kraft für eine friedliche Lösung einsetzen. Als Vorsitzender der OSZE gilt für mich auch hier: „No victor, no vanquished“. Dialog auf allen Ebenen ist der einzige Weg nach vorn.
Dialog auf der internationalen Ebenen: Zwischen der Ukraine und Russland, aber auch zwischen dem Westen und Russland. Reden nicht nur über Präsident Putin sondern auch mit ihm. Ohne einen fortlaufenden Gesprächsrahmen ist die Gefahr gross, dass die Sanktionslogik eskalierend wirkt.
Die Bausteine für einen Übergang zu einem politischen Prozess der Konfliktlösung sind bekannt. Notwendig sind jetzt politischer Wille zum Kompromiss und ein geeigneter Rahmen, um sich auf einen solchen Übergang zu einigen. Hierzu – auch über mögliche Beiträge der OSZE und der Schweiz – haben wir uns heute Morgen ausgetauscht.
Dialog aber auch auf der innerukrainischen Ebene. Nicht um den Konflikt politisch zu verstetigen, sondern um ihn einer Lösung zuzuführen. Um Verfassungsaspekte wie die Dezentralisierung transparent zu diskutieren. Um den Menschen im Osten der Ukraine eine Perspektive zu geben. Und um die Ukraine wieder zu einem Projekt aller Menschen dieses Landes zu machen. Ich signalisierte Präsident Poroschenko bereits im Juni, dass die OSZE weiterhin bereit ist, solche Dialogformate zu unterstützen.
Aber es braucht mehr als das.
Wichtig ist, dass wir uns auch mit der Krise der europäischen Sicherheit befassen. Diese Krise hat sich seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim verschärft. Sie geht aber weiter zurück. Die Entfremdung zwischen Russland und dem Westen der letzten Jahre und das Fehlen einer gemeinsamen Vision der EU und Russlands für die gemeinsame Nachbarschaft haben zur Entstehung der Ukrainekrise beigetragen.
Wichtige Fragen harren der Klärung:
Warum ist der Konsens über die Grundlagen der europäischen Sicherheit von Helsinki und Paris erodiert? Wie können wir vormals tragende Pfeiler der Sicherheitsordnung wie die konventionelle Rüstungskontrolle renovieren? Wie können wir Europas Sicherheitsarchitektur stärken, damit die Unteilbarkeit der Sicherheit wieder in den Vordergrund rückt?
Konsensfähige Antworten auf diese Fragen werden nicht über Nacht entstehen. Fortschritte werden auch davon abhängen, dass der Krimkonflikt auf der Basis von Völkerrecht gelöst wird. Trotzdem sollten wir diese Fragen bereits jetzt angehen.
Und wir sollten dies im Rahmen der OSZE tun, in einem inklusiven Dialog, auch mit Russland. An der Ministerratskonferenz der OSZE in Basel im Dezember muss die Zukunft der Sicherheit Europas ein Thema sein.
Ich bin überzeugt: Europa braucht mehr Sicherheit miteinander und nicht gegeneinander. Deshalb setzt sich die Schweiz dafür ein, die OSZE als Anker kooperativer Sicherheit in Europa zu stärken.
Deutschland, das sich in diesem Jahr so sehr für die Revitalisierung der OSZE eingesetzt hat, kann massgeblich dazu beitragen, dass diese Revitalisierung nachhaltig ist. Auch das wäre Ausdruck einer deutschen Aussenpolitik im Zeichen von mehr Verantwortung.