26.05.2023

Discours du Conseiller fédéral Ignazio Cassis, chef du Département fédéral des affaires étrangères (DFAE), à l'occasion de l'Assemblée générale de Scienceindustries - Seul le texte prononcé fait foi

Orateur: Cassis Ignazio

Signor Presidente,

Signore Consigliere nazional,

Stimati membri di Scienceindustries,

Liebe Anwesende,

Mesdames et Messieurs,

Thank you Scienceindustries for your kind invitation.

It is a pleasure and an honor for me to meet you here today!

I would like to thank very much Novartis and therefore you, Mr. Narasimhan, for your hospitality.

The chemical, pharmaceutical and life science industry holds an outstanding position in Switzerland.

With almost 80’000 employees and a share of about 50% of total swiss exports, it contributes significantly to our country's prosperity.

But not only that!

The approximately 4’000 patent applications are essential drivers for Switzerland’s high ranking in innovation worldwide.

You thus play a central role in improving people's health around the world.

And – at the same time - you shape the image of Switzerland throughout the world, joining me as Minister of Foreign Affairs in a common effort.

As a member of the Swiss Government, I furthermore would like to express my gratitude for the tax revenue generated in Switzerland.

Die meisten hier anwesenden Unternehmen sind international, wenn nicht global tätig. Wenn nicht Sie, wer spürt dann, dass sich die Welt heute in einem gewaltigen Wandel befindet? Und damit meine ich nicht nur den Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen. Von Zeitenwende ist die Rede.

Schauen wir also uns die globalen Trends an und die Rolle der Schweiz in Europa und der Welt

Geschätzte Damen und Herren,

Als Mediziner würde ich sagen: Die Zeitenwende ist mehr Symptom als Krankheit. Der Angriff Russlands ist nur die Zäsur, die uns die rosarote Brille von den Augen genommen hat. Sozusagen der Moment, in dem die Zeitenwende sichtbar wurde. Für uns alle. Global betrachtet ist sie aber Ausdruck von Trends, die schon länger zu beobachten sind:

-        Erstens, eine Häufung von Krisen und deren zunehmende Dauer, welche die Staatengemeinschaft auf eine harte Probe stellt und ein Gefühl der allgemeinen Unsicherheit verbreitet;

-        zweitens die Rückkehr der Machtpolitik, das heisst die Rückkehr einer Welt, in der das «Recht der Macht» wichtiger wird als die «Macht des Rechtes».

-        drittens der Wendepunkt der Globalisierung in Richtung De-Globalisierung oder Regionalisierung. Die Wiedergeburt von Nationen, die sich aus der Armut befreien und die Sehnsucht nach glorreichen Vergangenheiten entdecken. Protektionismus und Entflechtung von Lieferketten gehen damit einher. «Derisking» & «Decoupling» sind die neuen Schlagworte – die Weltwirtschaft befindet sich in einem tiefen Umbruch.

Geschätzte Damen und Herren,

Das ist die Rückkehr der Geopolitik –  für den Staat, für die Wirtschaft und das Leben der Menschen.

Mais comment en est-on arrivé là ?

On peut comparer cette situation à une balance : lorsque tout va bien, c’est l’équilibre. Voilà ce qui s’est produit ces 30 dernières années.

Après la chute du mur de Berlin, Francis Fukuyama avait même prophétisé « la fin de l’histoire » - c’est-à-dire le triomphe définitif du modèle démocratique occidental.

Force est de constater aujourd’hui que nous avons été naïfs, voire prétentieux !

L’équilibre est aujourd’hui de nouveaux fragile : nos valeurs sont remises en question.

La concurrence entre les grandes puissances, la concurrence surtout entre leurs modes d’organisation sociale –  démocratie d’un côté, autocratie de l’autre – s’intensifie massivement.

Avec elle : le réarmement militaire.

La Russie est en quête de sa puissance passée. Mais elle ne semble pas être sur le bon chemin: même si près d’un tiers de la communauté internationale ne condamne pas explicitement sa guerre contre l’Ukraine, la Russie se trouve de plus en plus isolée. L’Europe a serré les rangs et l’OTAN s’est renforcée.

La Chine soutient certes la Russie, mais elle s’abstient de toute intervention militaire. Elle profite à la fois du gaz bon marché et des dettes de guerre des États-Unis.

Selon le vieil adage « diviser pour mieux régner », la Chine étend son influence géostratégique et procède à un réarmement massif. Elle se pose en grande puissance garante de la paix - aussi bien en Europe que dans la région du Golfe – mais focalise en même temps ses attentions militaires sur Taïwan.

Les États-Unis - depuis 1945 la première puissance militaire et économique mondiale - se sentent progressivement concurrencés par la Chine. Et ils réagissent donc avec une certaine irritation : la rivalité sino-américaine a pris une ampleur mondiale.

Les Américains exigent des autres États qu’ils choisissent leur camp et exercent ainsi une pression accrue sur ces derniers. En même temps, ils sont plus que jamais occupés par leur politique intérieure, avec ses tensions et déchirures.

L’Europe, enfin - et je me réfère ici au continent tout entier - s’est laissée bercer par ses acquis durant ces 30 dernières années. L’agression militaire russe a sapé notre architecture de sécurité et remis en question notre système de valeurs.

Nous avons pris conscience de notre dépendance à l’égard des grandes puissances : le gaz russe, les produits chinois, les armes américaines.

Un réveil douloureux.

Ich fasse zusammen:

Die Welt wird weniger global, weniger westlich, weniger demokratisch. Sie ist unsicherer geworden.

Die Solidaritätsdynamik der Nachkriegszeit lässt nach, und die Systeme zur Verhinderung eines neuen Weltkonflikts - allen voran jene der UNO - sind im Umbruch.

Für den Westen – für die Demokratie – sind das keine good news. Die Jassfreunde unter Ihnen würden sagen: Die Karten werden gerade neu gemischt.

Werte Gäste

Welche Karten können wir als Schweiz in dieser neuen «internationalen Unordnung» ausspielen?

Die Schweiz hat weder die Stärke noch das Interesse für machtpolitische Manöver. Im Gegenteil: Für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand sind wir auf eine regelbasierte Ordnung und offene Märkte angewiesen. Es geht uns gut, wenn die «Macht des Rechts» gewichtiger ist als das «Recht der Macht».

Die bad news sind: Die Rahmenbedingungen in der Welt sind derzeit … anspruchsvoll – wie meine Diplomaten sagen würden.

Die good news sind: Unser Land hat nach wie vor gute Voraussetzungen, um seine Interessen in der Welt zu wahren, wenn …

… wenn es uns gelingt, zu unserem traditionellen Pragmatismus zurückzufinden!

Die Schweiz ist eben in Europa keine Ausnahme vom Trend zum staatlichen Interventionismus. Vieles, was früher privater Initiative überlassen wurde, will man heute dem Staat übertragen. Anstatt pragmatisch argumentieren wir zunehmend moralisch.

Wir schaffen immer mehr Regulierungen und diese verursachen Marktversagen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir im Zuge des ständig wachsenden Wohlstands in den letzten Jahrzehnten etwas arrogant geworden sind.

Wir sind heute weniger bereit pragmatische Lösungen einzugehen, um Wohlstand, Freiheit und Sicherheit zu bewahren.

Erfolgreiche Politiker müssen «Ecken und Kanten» zeigen: Kompromisse gelten als «faul», Konkordanz als Zeichen der Schwäche.

Doch dieser Zeitgeist hilft uns nicht. Gerade die neue geopolitische Lage sollte uns zu mehr Bescheidenheit und Flexibilität zurückführen.

Damit verbunden ist auch ein unverkrampfter Umgang mit dem Ausland und ganz besonders mit der EU.

Wir liegen im Herzen von Europa. In einer Welt, die nicht mehr nur vom Westen dominiert wird, sind wir Teil einer Schicksalsgemeinschaft mit unseren europäischen Nachbarn.

Geschätzte Damen und Herren, unser Selbstbild muss der Realität der Welt entsprechen: Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch die Realität in Bezug auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU verändert. «Ubi maior minor cessat» - Können wir es uns in Anbetracht der Weltlage wirklich leisten, ungeregelte Beziehungen mit unserem Nachbarn und wichtigsten Handelspartner zu haben?

Ich glaube nicht. Wir dürfen das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren. Genau in diesem Geist sind die Mitglieder der EU durch den Krieg zusammengerückt. Genau in diesem Geist tat die Schweiz es ihnen gleich.

Der Bundesrat hat im Februar letzten Jahres seinen Plan zur Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs festgelegt. Daran arbeiten wir intensiv - immer im Hinblick auf neue Verhandlungen.

Gesundheit, Strom, Forschung, Handel, Verkehr, Finanzen:

Überall brauchen wir geregelte Beziehungen, um unsere exportorientierte Wirtschaft – und somit unsere Prosperität – zu festigen und zu erhöhen.

Um ans Ziel zu kommen müssen wir Aussen- und Innenpolitik miteinander verzahnen: Neue Verhandlungen werden dann aufgenommen, wenn gemeinsam ein solides Fundament etabliert worden ist.

Geschätzte Damen und Herren,

ein afrikanisches Sprichwort sagt:

«Willst du schnell gehen, geh allein.

Willst du weit gehen, geh mit anderen».

Wenn wir weit gehen und erfolgreich sein wollen, dann müssen wir gemeinsam gehen!

Der Bundesrat zählt auf ihre aktive Unterstützung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


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Dernière mise à jour 29.01.2022

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