Resolution zur Todesstrafe: sinnbildlich für das Engagement der Schweiz

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat am 13. Oktober 2023 eine Resolution zur Todesstrafe angenommen, die von der Schweiz zusammen mit weiteren Ländern eingebracht worden war. Die Resolution hat zum Ziel, internationale Standards zu etablieren, mit denen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Anwendung der Todesstrafe angegangen und verhindert werden können. Worum geht es in dieser Resolution und wie fügt sie sich in die Bemühungen der Schweiz um die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein? Wir erklären, was dahintersteckt.

Die Schweiz lehnt die Todesstrafe überall und unter allen Umständen kategorisch ab. © Envato

Der UNO-Menschenrechtsrat hat am 13. Oktober 2023 in Genf mit grosser Mehrheit eine von der Schweiz eingebrachte Resolution zur Todesstrafe verabschiedet – ein diplomatischer Erfolg für die Schweiz und nicht der erste in diesem Bereich. Zusammen mit sieben weiteren Ländern (Belgien, Benin, Costa Rica, Frankreich, Mexiko, Mongolei und Republik Moldau) bringt sie seit 2014 regelmässig entsprechende Resolutionen in dieses Gremium ein. «Als federführende Verfasserin der Resolution kann die Schweiz die Erarbeitung des Texts und die Verhandlungen massgeblich steuern», erklärt Botschafter Jürg Lauber, ständiger Vertreter der Schweiz bei der UNO in Genf. «Es erfordert ein erhebliches diplomatisches Engagement der Mission, um zu einem zweckdienlichen und ausgewogenen Text zu einem so sensiblen Thema zu gelangen.»

Im Mittelpunkt des diesjährigen Textes stehen der Rechtsanspruch, eine Begnadigung oder Umwandlung der Strafe zu beantragen, sowie das Recht auf Berufung. «Es handelt sich um Themen, die eng mit dem Grundrecht jeder Person auf ein faires Verfahren verbunden ist», erläutert Botschafter Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte (AFM), die im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für die Thematik der Bekämpfung der Todesstrafe zuständig ist. «Leider müssen wir feststellen, dass diese grundlegenden Verfahrensrechte regelmässig nicht eingehalten werden, was besonders schwerwiegend ist, wenn es um die Todesstrafe geht.» Das Thema wird jeweils in der vorangegangenen Resolution festgelegt, in welcher der UNO-Generalsekretär aufgefordert wird, einen Bericht zu diesem Thema zu veröffentlichen. Gestützt darauf verfassen die Schweiz und die Staatengruppe die Resolution. 

Zwei Hauptziele

Das erste Ziel der Schweiz besteht darin, die Thematik der Todesstrafe dauerhaft im Arbeitsprogramm des Menschenrechtsrats festzuschreiben, da die Todesstrafe ihrer Überzeugung nach ein zentrales Menschenrechtsthema ist, das die internationale Gemeinschaft als Ganzes betrifft. «Die Anwendung der Todesstrafe ist stets mit zahlreichen Verstössen gegen die Menschenrechte verbunden. Darauf will diese Initiative aufmerksam machen», sagt Botschafterin Sandra Lendenmann, Vizedirektorin der Direktion für Völkerrecht. «Die Verstösse aufzuzeigen ist der erste Schritt, um diese angehen, verhindern und bekämpfen zu können.» 

 Symbolische Decke im Saal des Menschenrechtsrats in Genf.
Die vom Menschenrechtsrat verabschiedete Resolution der Schweiz betraf das Recht, um Begnadigung oder Umwandlung der Strafe zu bitten, sowie das Recht auf Beschwerde. © UN

Das zweite Ziel bezieht sich auf den Inhalt der Resolution, die den Anwendungsbereich der Todesstrafe weltweit schrittweise einschränken soll. Die heute verabschiedete Resolution enthält wichtige Bestimmungen aus dem Bericht des UNO-Generalsekretärs, mit denen die Verfahrensrechte der zum Tod verurteilten Personen gestärkt werden. In dem Bericht heisst es zum Beispiel, dass die persönlichen Verhältnisse des Täters und die Art der Straftat berücksichtigt werden müssen. Daraus ist zu schliessen, dass die obligatorische Todesstrafe, die den Gerichten keinen Ermessensspielraum lässt, willkürlich ist. Daher müssen der Resolution zufolge jene Staaten, welche die obligatorische Todesstrafe kennen, diese abschaffen. 

Wichtige diplomatische Arbeit

Die Resolutionen des Menschenrechtsrats sind für die Staaten allerdings nicht rechtsverbindlich. Wie kann also deren Umsetzung sichergestellt werden? Zu dieser zentralen Frage kommt hinzu, dass die Zahl der Staaten (siehe Kasten unten), die die Todesstrafe abgeschafft haben, zwar stetig steigt, die Zahl der Hinrichtungen jedoch seit mehreren Jahren keine nennenswerten Veränderungen aufweist. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es schwierig ist, die Anwendung der Todesstrafe in den Staaten, die noch daran festhalten, einzuschränken. 

Weltkarte mit dem Stand der Abschaffung der Todesstrafe im Oktober 2023.
Stand der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe im Oktober 2023. © EDA

Die diplomatischen Massnahmen der Staaten, welche die Todesstrafe abgeschafft haben, und das Engagement der Zivilgesellschaft sind diesbezüglich von entscheidender Bedeutung. Die Schweiz führt ihre Anstrengungen in den Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, fort, um sie zu ermutigen, die Bestimmungen der vom Rat verabschiedeten Resolutionen umzusetzen. Jüngstes Beispiel ist Malaysia. Nach einem langen parlamentarischen Prozess hat das Land in diesem Sommer die obligatorische Todesstrafe abgeschafft und die Liste der mit der Todesstrafe bedrohten Straftaten reduziert. Ein positiver Schritt, den die Schweiz anlässlich der bilateralen politischen Konsultationen am 26. September 2023 in Bern begrüsste. Sie sprach dabei die soeben im Menschenrechtsrat verabschiedete Resolution an, um aufzuzeigen, dass diese genau mit dem von Malaysia verfolgten Kurs übereinstimmt und ihre Bestimmungen konkrete Wege zur Konsolidierung der im Sommer verabschiedeten Reform bieten könnten. 

Kleine, aber wichtige Schritte auf dem Weg zur Abschaffung

«Diese Resolution ist ein gutes Beispiel für die Art und Weise, wie sich die Schweiz für die Bekämpfung der Todesstrafe einsetzt», betont Botschafter Geissbühler. «Die Schweiz lehnt die Todesstrafe kategorisch und unter allen Umständen ab und setzt sich für eine Welt ohne Todesstrafe ein. Sie ist sich jedoch bewusst, dass sie durch eine dogmatische Haltung gegenüber Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, nicht wirksam zu einer weltweiten Abschaffung beitragen kann.» Eine Politik der kleinen Schritte ist daher angemessen, um diese Staaten auf dem Weg zur Abschaffung immer wieder zu ermutigen. Am 13. Oktober 2023 wurde in Genf ein weiterer kleiner Schritt getan. 

Abschaffung der Todesstrafe: weltweite Situation

Am 10. Oktober 2023 wurde der Internationale Tag gegen die Todesstrafe zum 21. Mal begangen. Als dieser Welttag 2003 ins Leben gerufen wurde, hatten erst 80 Staaten die Todesstrafe für alle Straftatbestände abgeschafft. Heute sind es 113. Der weltweite Trend in Richtung Abschaffung geht also weiter. Ausserdem halten sich mittlerweile 149 Staaten von Rechts wegen oder tatsächlich an ein Moratorium. Diese positiven Veränderungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch viele Herausforderungen gibt. In einigen Staaten sind zudem Rückschritte zu verzeichnen, so z. B. in Myanmar, wo im vergangenen Jahr nach einem mehr als 30-jährigen Moratorium wieder Hinrichtungen vollstreckt wurden. 

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