Streumunitionsopfer engagieren sich für eine bessere Welt
Die Schweiz hat den Vorsitz der zweiten Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über Streumunition inne. Aus diesem Anlass lassen wir zwei Überlebende dieser Waffen zu Wort kommen.
Lith Soyda ist eines der Opfer von Streumunition in Laos. In der Mitte des Bildes erzählt er seine Geschichte. © Lasting Footprints.
Wahidullah Safi war erst acht Jahre alt, als er auf eine Streubombe trat. Heute ist er 32 und wohnt in der Provinz Laghman in der Nähe von Kabul. Wenn er zu Fuss in dieser grünen, gebirgigen Gegend Afghanistans unterwegs ist, ist er immer sehr vorsichtig. Er weiss, dass hier potenziell gefährliche, nicht identifizierte Blindgänger herumliegen. Ein solcher hat damals auch sein Leben radikal verändert. Kaum kam er damit in Berührung, explodierte das Geschoss. Wahidullah realisierte sofort, dass er sein Bein verlieren würde. Obwohl er wenige Sekunden später das Bewusstsein verlor, erinnert er sich noch sehr gut an diesen verhängnisvollen Moment.
Als er realisiert, dass er seine Geschichte erstmals einem Menschen in einer anderen Weltregion erzählt, dazu noch per Telefon, wird er von seinen Gefühlen überwältigt. In Afghanistan spricht er oft mit den Medien, vor allem um die lokale Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Auch in den sozialen Netzwerken ist er aktiv. «Wenn wir unsere Geschichte erzählen, wird die Realität eines Lebens mit Streumunition für alle konkreter fassbar», meint Wahidullah.
«Die Berichte der Überlebenden schärfen das weltweite Bewusstsein für das Thema Streumunition. Sie helfen mit, diese Waffen stärker zu ächten», erklärt Hector Guerra. Dank solcher Stimmen wurde 1992 die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) gegründet, die er heute leitet. Die im Zuge der globalen Abrüstungsbewegung der frühen 1990er-Jahre entstandene ICBL gab den Opfern und ihren Angehörigen eine Stimme und sensibilisierte die Öffentlichkeit für ihren Alltag, der von diesen unterschiedslos wirkenden Waffen geprägt ist. Die dadurch ausgelöste Dynamik führte zur Verabschiedung des Übereinkommens über Streumunition innerhalb von weniger als zwanzig Jahren.
Laos am stärksten betroffen
In Laos, dem am stärksten verminten Land der Welt, erzählt Lith Soyda von seinem Schicksalsschlag. Der junge Mann war eines der vielen Kinder, deren Leben in einem Sekundenbruchteil auf den Kopf gestellt wurde. Mit sechs Jahren geriet er auf eine Streubombe, als er mit seinen Freunden von einem Bad im Fluss in sein Dorf Ban Soblap im Norden von Laos zurückkam.
Weil es kalt war mitten im Winter, wollte er vor dem Haus seiner Grosseltern ein Feuer anzünden. Bei den ersten Flammen gab es eine heftige Explosion, die ihn für mehr als 24 Stunden ins Koma versetzte. Als er erwachte, lag er in einem Krankenhausbett. Die Finger seiner rechten Hand waren amputiert, und er war auf dem rechten Auge blind. «Meine Eltern haben ihre gesamten Ersparnisse ausgegeben, um mein Leben zu retten. Und danach war ich monatelang auf Rehabilitation angewiesen, bis ich wieder ein einigermassen normales Leben führen konnte», erzählt er.
Zukunftsperspektiven für die Opfer?
Wahidullah Safi in Afghanistan und Lith Soyda in Laos setzen sich beide engagiert für die Rechte von Streumunitionsopfern ein. Mit ihrem Engagement unterstützen sie im In- und Ausland Menschen mit Behinderungen in teilweise schwierigen Situationen.
Der 18-jährige Lith Soyda geht noch ins Gymnasium. Mit der Unterstützung von Handicap International besucht er nebenbei einen Einführungskurs für Freiwilligenarbeit und setzt sich engagiert für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Laos ein. «Menschen mit körperlichen Behinderungen sind auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Ich hoffe, dass ich trotz meiner Behinderung eine erfolgreiche Karriere haben kann, und bin entschlossen, dies zu erreichen.»
Wahidullah ist es trotz seiner Behinderung gelungen, zu studieren und Arbeit zu finden. Zu seinen Aufgaben gehören die Unterstützung von Personen und Personengruppen mit Behinderungen bei der Eingliederung in die Gesellschaft, die Hilfe für Angehörige ziviler Opfer von bewaffneten Konflikten und das Engagement für schutzbedürftige Menschen. «Ich werde mich weiterhin für den Schutz der am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen einsetzen, die auch am stärksten von Streumunition betroffen sind», sagt er. Die beiden willensstarken jungen Männer haben nach ihrem Schicksalsschlag nicht einfach resigniert, sondern ihr Leben in die Hand genommen.