Das israelische Parlament (Knesset) hat am 28.10.2024 zwei Gesetze verabschiedet, welche zum Ziel haben, die Präsenz von UNRWA in Israel und deren Aktivitäten im besetzten palästinensischen Gebiet zu verhindern. Konkret fordern die Gesetze, die per Ende Januar 2025 in Kraft treten, unter anderem folgende Punkte:
- Kündigung des sogenannten Comay-Michelmore Briefwechsels von 1967 zwischen Israel und UNRWA, in dem Israel (1) anerkennt, dass das Übereinkommen der UNO über Privilegien und Immunitäten von 1946 die Rechtsbeziehungen zwischen Israel und UNRWA regelt und (2) allgemeine Unterstützung für die Aktivitäten der UNRWA in den besetzten palästinensischen Gebieten (BPG) zusichert.
- Verbot der Zusammenarbeit Israels mit der UNRWA, indem Kontakte zwischen den israelischen Behörden und dem Hilfswerk untersagt werden.
- Möglichkeit rechtliche Schritte gegen UNRWA-Mitarbeitende zu ergreifen (oder sogar Aufhebung der Immunität der Organisation und/oder ihrer Mitarbeitenden).
- Verhinderung der Präsenz der UNRWA und Beendigung von deren Aktivitäten im Hoheitsgebiet Israels, einschliesslich Ost-Jerusalems, das nach internationalem Recht als besetzt gilt.
Die Schweiz ist besorgt über die operationellen, sicherheitsrelevanten, politischen und rechtlichen Folgen der Gesetze gegen die UNRWA, welche die Knesset am 28. Oktober 2024 verabschiedet hat. Die Schweiz hat ihre Bedenken auf multilateraler Ebene (u.a. im UNO-Sicherheitsrat) und in ihren bilateralen Kontakten mit Israel geäussert. Zudem hat sie sich zusammen mit anderen Staaten entsprechenden Initiativen angeschlossen, darunter zwei von der EU geführte Demarchen.
Diese neuen Gesetze Israels sind grösstenteils unvereinbar mit den Verpflichtungen Israels im Rahmen des Völkerrechts, insbesondere der UNO-Charta und des humanitären Völkerrechts. Sie stehen auch im Widerspruch zum Mandat der UNO-Generalversammlung, welche die UNRWA gegründet hat, um die Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung bis zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung und der Gründung eines palästinensischen Staates zu decken.
UNRWA ist der grösste humanitäre Akteur in Gaza und stellt lebenswichtige Dienstleistungen (z. B. im Bereich Gesundheit) für eine Bevölkerung bereit, die mit immensen Bedürfnissen konfrontiert ist, insbesondere im Norden des Gazastreifens. Wenn UNRWA ihre Arbeit im besetzten palästinensischen Gebiet einstellen muss, bedroht dies nicht nur die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung, sondern hat auch Auswirkungen auf alle anderen humanitären Akteure in der Region. Keine andere Organisation kann die Aufgaben der UNRWA übernehmen und eine noch grössere Destabilisierung der Palästinensischen Gebiete und darüber hinaus (in Libanon, Jordanien und Syrien) ist zu befürchten.
Die Schweiz ruft alle Parteien, einschliesslich Israel, immer wieder dazu auf, im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht einen raschen und ungehinderten humanitären Zugang zum besetzten palästinensischen Gebiet zu ermöglichen. Sie bekräftigt diese Position im Sicherheitsrat und in ihren bilateralen Kontakten mit Israel. Die Schweiz finanziert weiterhin die Operationen der humanitären Akteure in der gesamten Region, einschliesslich Gaza und Westjordanland.
Die Schweiz nimmt die Anschuldigungen ernst, dass einige UNRWA-Mitarbeiter verdächtigt wurden, an den Terroranschlägen vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen zu sein. Sie nahm die Ergebnisse der UNO-internen Untersuchung zu 19 Mitarbeitern sowie die von der UNRWA ergriffenen Massnahmen zur Kenntnis. Die Schweiz erwartet auch, dass die Empfehlungen des Colonna-Berichts vollständig umgesetzt werden.
Aufgrund der israelischen Anschuldigungen gegenüber der UNRWA hatten verschiedene Geberstaaten ihre Beiträge an die UNRWA im Januar 2024 sistiert – darunter auch die Schweiz. Die Schweiz hat, wie zahlreiche andere Staaten auch, ihre Unterstützung für die UNRWA mittlerweile wieder aufgenommen. Die Aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat stimmten im Juni dem Bundesratsentscheid vom 8. Mai zu, eine Tranche von 10 Millionen Franken an das UNO-Hilfswerk auszuzahlen. Die Verwendung der 10 Millionen Franken durch die UNRWA beschränkt sich strikt auf die dringenden humanitären Bedürfnisse in Gaza und dient ausschliesslich der Finanzierung des humanitären Hilfsappels der UNO-Agentur. Der Bundesrat hat entschieden, dieses Jahr keine weitere Zahlung an UNRWA zu leisten aufgrund der laufenden Debatten und den Sparvorgaben des Parlaments. Die Position des Bundesrats zur UNRWA bleibt jedoch unverändert. Er betrachtet die Organisation nach wie vor als zentralen humanitären Akteur im Gazastreifen. Der Bundesrat wird zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die laufenden Parlamentsdebatten abgeschlossen sind, über einen Beitrag an die UNRWA für die kommenden Jahre entscheiden.