Dialog zur Verringerung von Gewalt: Gute Dienste am Puls der Zeit

Die Schweiz setzt sich in der Sahelzone für konkrete Friedenslösungen ein, auch zusammen mit bewaffneten Gruppen. Welche Instrumente nutzt sie dabei? Um die Problematik besser zu verstehen, begleiten wir die Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA auf eine Mission: Drei Etappen in dieser grossen Region Afrikas, um besser zu verstehen, was es bedeutet Gewalt durch Dialog zu verhindern und zu reduzieren.

Eine Gruppe von Menschen steht in einer Reihe hinter einem Zaun.

In der zentralen Sahelzone (Mali, Niger und Burkina Faso) verursacht die bewaffnete Gewalt seit Jahren grosses Leid in der Bevölkerung. © EDA

In Afrika nimmt die Gewalt nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen stetig zu. Gemäss Global Terrorism Index ereigneten sich im Jahr 2022 rund 60 Prozent der durch solche Gruppierungen verursachten Todesfälle in Subsahara-Afrika. Die Tendenz ist steigend: 2022 bis 2023 nahmen die Todesfälle um 48 Prozent zu. Das Africa Centre for Strategic Studies geht von mehr als 22'000 Toten aus (15'000 im Zeitraum 2021–2022). Besonders stark betroffen ist die grosse und heterogene Sahelregion. Die bewaffneten Gruppen kontrollieren ganze Teile Malis, des Niger und Burkina Fasos. Es wird befürchtet, dass sie weiter südlich in die Küstenstaaten vordringen könnten. Die Schweiz muss ihr Instrument der Guten Dienste an die geopolitischen Verhältnisse und an diese Entwicklungen anpassen. Die Guten Dienste sind kein vorgefertigtes Instrument. Es muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob und wie es möglich ist, aktiv zu werden, Türen zu öffnen, einen Mehrwert zu bieten – manchmal mit innovativen Ansätzen. Die Prävention und Reduktion von Gewalt durch Dialog spielt für die Schweiz daher eine zentrale Rolle. Lasst uns sehen wie.

Dialog mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen

 Einige Soldaten stehen neben einem Auto. Eine Person hält eine Schweizer Flagge hoch.
Eine Bestandsaufnahme der Akteure und des Umfelds ist für die Vorbereitung einer Mission unerlässlich, ebenso wie die Zusammenarbeit mit lokalen Ansprechpartnern. © EDA

Erste Mission: die Schweiz wurde von der Regierung beauftragt, einen Dialog mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen zu ermöglichen. Wie geht sie vor, wenn sie von einem Staat um Hilfe ersucht wird?

«Zunächst erfolgt ein Mapping der Akteure und eine Analyse des Kontextes sowie der Risiken, der bereits vorhandenen Dialogkanälen, der Erfolgschancen oder auch des möglichen Mehrwerts der Schweiz. Viele weitere Aspekte werden berücksichtigt, auf deren Grundlage entschieden wird, ob einen Einsatz erfolgen soll oder nicht. Anschliessend wird ein kleines Team aus Mitarbeitenden der Abteilung Frieden und Menschenrechte an der Zentrale in Bern und im Feld zusammengestellt. Manchmal werden auch externe Partner ad hoc beigezogen. Entscheidend ist auch die Zusammenarbeit mit lokalen Ansprechpersonen», erklärt Patrizia Palmiero, Chefin der Sektion Frieden – Afrika des EDA. «Wie man sich vorstellen kann, basiert diese Tätigkeit im Wesentlichen auf Vertrauen, persönliche Kontakte – die im Laufe der Zeit aufgebaut wurden – Diskretion und Vertraulichkeit. Man muss auch in entlegene Gebiete reisen, weil der persönliche Austausch am effektivsten bleibt.» 


In einer zweiten Phase werden vertrauensbildende Massnahmen identifiziert (confidence-building measures) und eine Roadmap festgelegt. Natürlich können unzählige externe Faktoren den Prozess beeinflussen. Da es sich um Konfliktgebiete handelt, muss man flexibel bleiben und sich ständig an die sich verändernden Umstände anpassen. In unserem Beispiel einigten sich die Parteien dank langer und geduldiger Arbeit schliesslich auf Teilabkommen, um die Gewalt (zumindest vorübergehend) zu beenden, die Mitglieder der bewaffneten Gruppen zu demobilisieren und sie wieder in die lokalen Gemeinschaften oder in die staatlichen Sicherheitskräfte zu integrieren. Sollten Kriegsverbrechen vorliegen, müssten auch rechtliche Massnahmen geprüft werden. Für eine langfristige politische Lösung ist diese Arbeit eine unschätzbare Grundlage. 

Zusammenarbeit mit islamischen Gelehrten

Wir sprachen auch von innovativen Ansätzen und in diesem Sinne gehen wir die zweite Mission an. Ein weiteres Beispiel ist der Dialog mit den Ulema, den unabhängigen islamischen Gelehrten (auf Arabisch ulamā). Einige nichtstaatliche bewaffnete Gruppen messen den Lehren dieser Gelehrten grosse Bedeutung zu. Diese definieren auf der Grundlage der islamischen Rechtsprechung, welche Handlungen legitim sind und welche nicht. Die Schweiz hat ihrerseits eine lange Tradition in der Förderung des humanitären Völkerrechts, eines Regelwerks zum Schutz der Opfer von Konflikten und der Zivilbevölkerung. Der innovative Ansatz bestand darin, die möglichen Synergien zwischen den für alle Kämpferinnen und Kämpfer bindenden Grundsätze des humanitären Völkerrechts und den islamischen Lehren (Fikh) zu fördern. 

Forum für einen regionalen Dialog: Länderkoordination

Die dritte Mission findet auf regionaler Ebene statt: Die Schweiz arbeitet mit dem Büro der Vereinten Nationen für Westafrika und den Sahel (UNOWAS) zusammen, das in der Region präventive Diplomatie, Gute Dienste, Mediation und Fazilitation betreibt. Unser Land hat auch eine Reihe von Diskussionsforen zwischen Ministern und politischen Entscheidungsträgern aus verschiedenen Ländern zum Thema Gewaltprävention in West- und Zentralafrika gefördert. Was ist die Idee hinter dieser Initiative? Wer Gewalt ausgesetzt ist, versucht natürlich, sich zu verteidigen. Aber es gibt auch andere Ansätze, indem das Problem, also die Ursache von Gewalt, angegangen wird. Mit diesem Ansatz bietet die Schweiz seit mehreren Jahren einen Mehrwert in diesem Bereich. 

Das Engagement der Schweiz auf dem afrikanischen Kontinent gibt Einblick in unterschiedliche Regionen und veranschaulicht, wie die Guten Dienste eingesetzt werden können. Die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene ist dabei von zentraler Bedeutung. Der nächste Artikel befasst sich mit diesem Aspekt und beginnt mit der Region der Grossen Seen. 

Zum Anfang