Markus Leitner: «Die Schweiz und der Iran: traditionsreiche Länder mit einem starken Fokus auf der Zukunft»

Die Schweiz feiert im Jahr 2020 das 100-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Präsenz im Iran. Botschafter Markus Leitner unterstreicht die guten Beziehungen, den breit gefächerten Austausch und das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Ländern.

Seite aus dem Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Persien (1873).

Seite aus dem Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Persien (1873) © Schweizerisches Bundesarchiv

Markus Leitner, Schweizer Botschafter im Iran.
Markus Leitner, Schweizer Botschafter im Iran. © EDA

«Der Iran ist eine Jahrtausende alte Zivilisation. Vor diesem Hintergrund mögen hundert Jahre diplomatische Präsenz kurz erscheinen. Dennoch ist dieses Jubiläum wichtig: für den Iran wie für die Schweiz», sagt Markus Leitner, Chef der Schweizer Botschaft im Iran. «Unsere Länder sind zwar geografisch weit voneinander entfernt, haben aber über Jahrzehnte hinweg eine sehr intensive Zusammenarbeit und einen regen Austausch entwickelt, unter mitunter schwierigen Umständen. Das finde ich beeindruckend.»

Im Telefongespräch betont Botschafter Leitner die engen Beziehungen und das vertrauensvolle Verhältnis zwischen den über 5000 Kilometer entfernten Ländern, die beide von Gebirgslandschaften geprägt sind.

 

Gestern: ein Freundschaftsvertrag. Heute: ein intensiver, breit gefächerter Austausch.

Seite aus dem Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Persien (1873).
Seite aus dem Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Persien (1873). © Schweizerisches Bundesarchiv

Das Vertrauen zwischen der Schweiz und dem Iran beruht auf Gegenseitigkeit. Es ist durch enge Verbindungen und einen regen Austausch in vielen Bereichen gewachsen.

Die Geschichte dieser Beziehungen nahm vor über hundert Jahren ihren Anfang. Bereits im 17. Jahrhundert reisten die ersten Schweizer – vor allem Uhrmacher – durch das damalige Persische Reich, und einige liessen sich dort nieder. Im 19. Jahrhundert nahmen die beiden Länder offizielle Beziehungen auf. Kommerzielle, akademische, wirtschaftliche und politische Interessen beschleunigten den Austausch. 1873 wurde anlässlich des Besuchs des Schahs in der Schweiz ein Freundschafts- und Handelsvertrag unterzeichnet. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Iran wurden ausgeweitet und vertieft. 1920 beschloss der Bundesrat, eine Schweizer Vertretung in Teheran zu eröffnen.

Heute erstreckt sich die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Iran über eine Vielzahl von Themenbereichen von Politik über Wirtschaft, Finanzen, Handel, Landwirtschaft, Kultur, Bildung und Forschung bis hin zu Migration und Menschenrechten. «Der Austausch und die Arbeit zwischen den beiden Ländern haben zugenommen. In diesem Teil der Welt ist ein auf Vertrauen beruhendes Verhältnis zentral», erklärt Botschafter Leitner.

Bundesrat Ignazio Cassis reist nach Teheran

Bundesrat Ignazio Cassis weilt vom 5. bis 7. September 2020 im Iran. Der offizielle Besuch findet im Rahmen der Feierlichkeiten zu 100 Jahren diplomatischer Präsenz der Schweiz im Iran statt. Der Vorsteher des EDA wird unter anderem den iranischen Präsidenten Hassan Rouhani und Aussenminister Mohammad Javad Zarif treffen. Im Zentrum der Diskussionen stehen die bilateralen Beziehungen und die Schutzmachtmandate der Schweiz.

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Schweizer Besonderheiten: Schutzmachtmandat, humanitärer Kanal und geistiges Eigentum

Ein Vertrauensbeweis: Die Schweiz vertritt seit 1980 die US-Interessen im Iran. Als Schutzmacht fungiert sie als Vermittlerin zwischen den beiden Ländern. Ein Schutzmachtmandat bedeutet, dass ein Land die Interessen eines Drittlandes vertritt, wenn zwei Staaten ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. Die Wahrung fremder Interessen ist Teil der guten Dienste, welche die Schweiz seit vielen Jahren erbringt. Die Schweiz hat aktuell Schutzmachtmandate für den Iran, die USA, Russland, Georgien und Saudi-Arabien inne.

 

«Die Iranerinnen und Iraner nehmen die Schweiz als ein vielfältiges, traditionsreiches und multikulturelles Land wahr und bringen ihr seit jeher eine gewisse Sympathie entgegen.»
Markus Leitner

Die Schweiz hat in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in den USA und im Iran zudem einen Zahlungsmechanismus zur Lieferung von humanitären Gütern in den Iran, das sogenannte «Swiss Humanitarian Trade Arrangement» (SHTA), erarbeitet. Seit Februar 2020 ermöglicht es der Zahlungsmechanismus in der Schweiz ansässigen Unternehmen, humanitäre Güter im Nahrungsmittel-, Pharma- und Medizinalbereich in den Iran zu liefern.

Besonderes Gewicht wird auch auf Innovation durch Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft und geistiges Eigentum gelegt. Der Austausch zwischen schweizerischen und iranischen Universitäten und Forschenden ist breit aufgestellt. Gleichzeitig wird eine neue Zusammenarbeit zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums etabliert. Damit sollen die Rechtssicherheit und der Handel zwischen schweizerischen und iranischen Unternehmen gestärkt werden.

«Die Iranerinnen und Iraner nehmen die Schweiz als ein vielfältiges, traditionsreiches und multikulturelles Land wahr und bringen ihr seit jeher eine gewisse Sympathie entgegen. Die Schweizerinnen und Schweizer wiederum sind fasziniert von diesem Land mit seiner reichen Geschichte und den stets gastfreundlichen Menschen. Hinter diesen schönen Vorstellungen steckt jedoch auch ein gemeinsames Wertefundament. Es sind beides traditionelle Länder, aber mit starkem Fokus auf der Zukunft», so das Fazit des Diplomaten.

Infographie zu den 100 Jahre diplomatische Präsenz der Schweiz im Iran in 10 Zahlen.
Infographie zu den 100 Jahre diplomatische Präsenz der Schweiz im Iran in 10 Zahlen. © EDA

100 Jahre diplomatische Präsenz in 10 Zahlen

1873 Während einer Europareise des Schahs von Persien werden formelle Verhandlungen aufgenommen. Nach seinem Empfang in Paris verbringt Schah Nasir ad-Din im Juli 1873 fünf Tage in der Schweiz. Anlässlich dieses Staatsbesuchs unterzeichnen die beiden Länder einen Freundschafts- und Handelsvertrag.

1920 Die Schweiz eröffnet auf Beschluss des Bundesrates ihre erste diplomatische Vertretung im Iran. Das Schweizer Honorarkonsulat wird am 1. August in Teheran eröffnet.

1936 Die Schweiz wandelt das Konsulat in eine Botschaft um.

1940 Die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer im Iran steigt von drei Personen im Jahr 1873 auf 20’1919 bzw. auf 182’1940. Der Austausch zwischen den beiden Ländern intensiviert sich weiter. Schweizer Fachkräfte sind im Bereich der öffentlichen Finanzen, als Rechtsgutachter, im Eisenbahnbau und in der Maschinenindustrie tätig. Kaufleute, Kunstschaffende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und Reisende aus beiden Ländern entdecken mit grossem Interesse das jeweils andere Land.

1950 In den 1950er-Jahren engagiert die Iran Oil Company ein Team von Schweizer Geologen, die Forschungsarbeiten und Expeditionen durchführen sollen und schliesslich 1956 in der Nähe der Stadt Qum ein grosses Erdölvorkommen entdecken.
 
1980 Die USA ersuchen die Schweiz um Übernahme der Wahrung ihrer Interessen im Iran. Das Mandat besteht seit 40 Jahren.

2016 Anlässlich des Staatsbesuchs von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann in Teheran wird eine Roadmap zur Vertiefung der bilateralen Beziehungen unterzeichnet.

2018 Seit März 2018 nimmt die Schweiz die Interessen des Iran in Saudi-Arabien und die saudischen Interessen im Iran wahr. Die Interessenwahrung betrifft die konsularischen Dienste.

2019 Die Schweiz übernimmt die Vertretung der iranischen Interessen in Kanada. Dieses Mandat beinhaltet keine konsularischen Dienstleistungen.

2020 Bundesrat Ignazio Cassis reist Anfang September in den Iran. Dieses Treffen bietet Gelegenheit, die guten bilateralen Beziehungen hervorzuheben.

 
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