«Ein Labor für Ideen und Partnerschaften»

Während der Geneva Peace Week 2025 organisieren die Abteilung für Frieden und Menschenrechte (AFM) und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) Panels, die innovative Ansätze zur Verringerung geopolitischer Spannungen und zur Stärkung präventiver Massnahmen vorstellen. Im Interview betonen AFM-Chef Tim Enderlin und DEZA-Direktorin Patricia Danzi die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit für Sicherheit und Frieden.

Das Bild zeigt die offiziellen Banner der Geneva Peace Week mit dem Motto «Peace in Action».

Unter dem Motto «Peace in Action» setzt die 12. Ausgabe der GPW auf einen zukunftsorientierten Ansatz zur Friedenssicherung. © Geneva Peace Week (GPW) 

Vom 13. bis 17. Oktober 2025 findet die Geneva Peace Week 2025 (GPW) statt. Unter dem Motto «Peace in Action» setzt die 12. Ausgabe der GPW auf einen zukunftsorientierten Ansatz zur Friedenssicherung. Angesichts komplexer Krisen und wachsender Finanzierungslücken braucht es neue Perspektiven und innovative Lösungen. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sowie die Abteilung für Frieden und Menschenrechte (AFM) des EDA organisieren dazu verschiedene Panels. Im Zentrum stehen unter anderem die Überführung nationaler Präventionsinitiativen in nachhaltige Friedensstrukturen, die Stärkung von Synergien zwischen Friedensförderung und Menschenrechten, Wasserdiplomatie sowie kohärente und rechtsbasierte Ansätze für Prävention und Friedensförderung.

Im Interview sprechen DEZA-Direktorin Patricia Danzi und Chef der AFM Tim Enderlin über die Herausforderungen der internationalen Friedensförderung, die Rolle der Geneva Peace Week und die Chancen, die sich daraus ergeben.

Geneva Peace Week

Die «Geneva Peace Week» ist ein jährlich stattfindendes internationales Forum in Genf, das Expertinnen und Experten, Diplomatinnen und Diplomaten, internationale Organisationen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, dem Privatsektor und NGOs zusammenbringt. Ziel ist es, Wissen und Erfahrungen zu einer Vielzahl von Friedensthemen in unterschiedlichen Kontexten und Disziplinen auszutauschen. Organisiert wird die GPW von der Geneva Peacebuilding Platform in Zusammenarbeit mit der UNO, den wichtigsten Friedensorganisationen in Genf und der Schweizer Mission vor Ort, internationalen Organisationen und lokalen Partnern. Die «Geneva Peace Week 2025» steht dieses Jahr unter dem Motto «Peace in Action». Sie verfolgt das Ziel, adaptive, inklusive und kooperative Ansätze für den Frieden zu fördern und hebt die Dringlichkeit hervor, den Dialog durch konkrete Taten zu untermauern.

Welche Bedeutung hat die Teilnahme der DEZA und der AFM an der Geneva Peace Week?

Patricia Danzi: Frieden und Gouvernanz, also gute Regierungsführung, ist eines von vier Entwicklungszielen der Strategie der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Sie sind gleichzeitig Voraussetzung und Resultat einer nachhaltigen Entwicklung, die auf sozialer Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, den Menschenrechten und Demokratie basiert. Mit der aktiven Teilnahme, und der Organisation zweier Veranstaltungen, unterstreicht die DEZA die Wichtigkeit des Themas für ihre Arbeit und nutzt gleichzeitig diese globale Plattform im internationalen Genf.

Tim Enderlin: Die Geneva Peace Week ist ein Labor für Ideen und Partnerschaften. Sie bringt Akteure aus Diplomatie, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und multilateralen Organisationen zusammen – genau jenes Ökosystem, das Genf einzigartig macht. Für uns ist sie mehr als eine jährliche Konferenz: Sie ist ein Resonanzraum, in dem wir Trends erkennen, Allianzen schmieden und innovative Ansätze testen können.

Porträtfoto von Tim Enderlin, Chef der AFM.
Tim Enderlin, Chef der Abteilung für Frieden und Menschenrechte (EDA). © EDA

Inwiefern ist die Schweiz im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit (IZA) im Bereich der Friedensförderung aktiv?

Enderlin: Der 80. Jahrestag der UNO fällt in eine Zeit, in der der Multilateralismus unter grossem Druck steht. Rivalitäten zwischen Grossmächten, blockierte Entscheidungsprozesse und schwindendes Vertrauen belasten das System. Zugleich bieten die vom UNO-Generalsekretär angestossenen «UN80»-Reformen die Chance, den Multilateralismus zu erneuern. Für uns bedeutet das, unsere friedenspolitischen Prioritäten – Dialog, Prävention und Menschenrechte – konsequent einzubringen. Der «Pakt für die Zukunft» bestätigte vor rund einem Jahr die Notwendigkeit eines inklusiven, national geführten Ansatzes der Prävention. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass Reformen die UNO handlungsfähiger machen und dass multilaterale Zusammenarbeit wieder als Garant für Sicherheit und Stabilität wahrgenommen wird.

Porträtfoto von Patricia Danzi, DEZA-Direktorin.
Patricia Danzi, Direktorin der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (EDA). © EDA

Welche Rolle spielt die internationale Gemeinschaft bei der Umsetzung des Paktes für die Zukunft – etwa die Schweiz?

Danzi: Der «Pakt für die Zukunft» ist ein Bekenntnis der Weltgemeinschaft zu mehr Zusammenarbeit. Sie folgt der Erkenntnis, dass die grossen Herausforderungen der Zeit sich nur gemeinsam lösen lassen. Jeder gegen jeden führt nicht zu mehr Sicherheit und Frieden. Die Schweiz hat als kleines, erfolgreiches, exportorientiertes Land ein grosses Interesse an einer völkerrechtsbasierten Weltordnung. Im Bereich Frieden stärkt der Pakt die Selbstverantwortung der Länder. Wenn von Instabilität und Konflikten bedrohte Länder Friedensförderung und Friedensprävention aus eigenem Antrieb umsetzen, sind die Erfolgsaussichten deutlich besser. Das bedeutet aber auch, dass  Geberländer gut zuhören müssen, was erfolgsversprechend ist. Die Schweiz verfolgt diesen Ansatz, der von den Bedürfnissen der Menschen vor Ort ausgeht, schon lange. Diesen Gedanken von Eigenverantwortung und Dialog auf Augenhöhe möchte die Schweiz in der internationalen Zusammenarbeit weltweit stärken. Am Ende sind wir überzeugt, dass die Arbeit dann nicht nur erfolgreicher ist, sondern auch kostengünstiger wird. Es ist meist teurer und leidvoller nach einer Krise wieder aufzubauen als Krisen abzuwenden.

In welchen Bereichen trägt die IZA der Schweiz ganz konkret zur Förderung des Friedens bei?

Enderlin: Die Mediation ist ein wesentlicher Pfeiler der Friedensförderung der Schweiz. Die AFM stellt den Parteien ihr Fachwissen zur Verfügung, um ihre Differenzen beizulegen. Sie kann einen vertraulichen Rahmen für Gespräche und/oder methodische Unterstützung für die Verhandlungsführer anbieten. Zu den aktuellen Beispielen zählen die Aktivitäten der Schweiz in der Sahelzone oder im Sudan, die Unterstützung eines friedlichen Übergangs in Syrien oder die Unterstützung der Friedensprozesse in Kolumbien. Sie bietet ihre guten Dienste an, um diese Prozesse zu begleiten oder sogar auf ihrem Boden, insbesondere in Genf, zu beherbergen.

Danzi: Die DEZA legt ihre Schwerpunkte ergänzend auf die Unterstützung von Ländern bei der guten Regierungsführung. Das heisst, wir unterstützen Länder und Institutionen bei rechtsstaatlichen Reformen oder bei der Verbessrung staatlicher Dienstleistungen, die demokratische Prozesse erleichtern. Weiter unterstützt die DEZA die Wiederherstellung des Dialogs in konfliktbetroffenen Gesellschaften. Zuletzt möchte ich den Schutz von Minderheiten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen erwähnen.

Zunehmende geopolitische Spannungen, anhaltende Krisen und politische Instabilität in verschiedenen Weltregionen haben in diesem Jahr auch bei der Schweizer Bevölkerung zu Unsicherheit geführt. Welche Gefahren ergeben sich aus den aktuellen internationalen Entwicklungen für die Schweiz – und inwiefern müssen wir den Begriff von Sicherheit künftig umfassender denken?

Danzi: Das macht die Schweiz bereits jetzt. Es ist kein Zufall, dass Artikel 2 der Bundesverfassung neben der Sicherheit des Landes auch die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und den Einsatz für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung festhält. Wenn die regelbasierte internationale Ordnung verfällt, dann ist das Erfolgsmodell Schweiz, das auf Dialog, Vertrauen, Stabilität und globalen Handel setzt, bedroht.

Die internationale Zusammenarbeit trägt wesentlich zum Erhalt einer regelbasierten Welt bei. Zurzeit steht aber die Stärke des Rechts unter Druck. Das Recht des Stärkeren hat an Gewicht gewonnen. Es ist im Interesse der Schweiz auf internationaler Ebene dieser Entwicklung entgegenzutreten. Mit dem internationalen Genf, der weltweit geschätzten Neutralität, und als Depositär Staat der Genfer Konventionen kann die Schweiz hier eine Rolle spielen.

Enderlin : Die zunehmende Polarisierung bedroht alle Staaten, die wie die Schweiz auf eine regelbasierte Weltordnung angewiesen sind. Eine weitere Gefahr ist die Aushöhlung des normativen Rahmens, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen und des humanitären Völkerrechts. Schliesslich verändert das Aufkommen neuer Technologien und deren Einsatz in bewaffneten Konflikten ausserhalb des rechtlichen Rahmens unser Verständnis von Sicherheit. Unser Verständnis der zukünftigen Sicherheitsherausforderungen muss die Analyse neuer Bedrohungen mit der ständigen Anpassung traditioneller Instrumente zur Friedensförderung verbinden.

Für ein Land wie die Schweiz ist es wichtig, Sicherheit ganzheitlich, inklusiv und menschlich anzugehen und einen Ansatz zu verfolgen, der über die rein militärische Dimension hinausgeht. Die aktuellen Bedrohungen – anhaltende Konflikte, Klimawandel, Ungleichheiten – erfordern einen Ansatz, der den Menschen und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaften in den Mittelpunkt stellt. Für ein Land wie die Schweiz beruht Sicherheit weniger auf Macht als auf Dialog, Prävention und Zusammenarbeit.

Wie unterstützt die Schweiz konkret die Förderung von Frieden und Sicherheit? Können Sie hier Beispiele nennen?

Enderlin: Die AFM fördert Friedensprozesse und Konfliktlösung durch Dialog auf allen politischen Ebenen. Diese Prozesse sind ebenso einzigartig wie die Konflikte selbst: Die DPDH begleitet – dank eines Mandats des Niger – einen Vermittlungsprozess zwischen diesem Schlüsselstaat der Sahelzone und seinen Nachbarn.

Im Sudan hat die AFM eine vertrauliche und informelle Dialogplattform zwischen den durch Krieg und humanitäre Krise polarisierten politischen Parteien geschaffen, um die Bildung eines gemeinsamen politischen Rahmens für den „Nachkriegssudan” zu unterstützen. Sie unterstützt und beteiligt sich auch am Austausch zwischen den Mächten, die Einfluss auf den Sudan haben, um den humanitären Zugang zu erleichtern – innerhalb der ALPS-Gruppe (Aligned for Advancing Lifesaving and Peace in Sudan). In Kolumbien ist die Schweiz – auf Wunsch der Regierung und der bewaffneten Gruppen – offizieller Garant für drei Verhandlungsprozesse.

In anderen Kontexten stellt die AFM ihr Fachwissen zur Verfügung, um die Schaffung eines nationalen Systems zu unterstützen, das sich mit schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts während eines Konflikts befasst – die Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein wichtiger Schritt, damit eine Gesellschaft wieder in Frieden zusammenleben kann.

Danzi: Auf staatlicher Ebene tragen wir beispielsweise mit der Unterstützung von DCAF, dem Genfer Zentrum für Gouvernanz im Sicherheitssektor, dazu bei, dass Sicherheitsinstitutionen wie Polizei, Militär oder Justiz transparent, rechenschaftspflichtig und im Einklang mit den Menschenrechten handeln.

Ein Beispiel auf der lokalen Ebene kommt aus Mali. Dort haben mehr als 3000 Frauen in sogenannten Friedenszirkeln Wissen, Selbstvertrauen und Mitsprache gewonnen. Sie unterstützen Betroffene von Gewalt und wirken als Brückenbauerinnen in ihren Gemeinden. Das stärkt sozialen Zusammenhalt und schafft Sicherheit in der lokalen Gemeinschaft.

Welche Rolle spielt in Ihren Augen das Internationale Genf bei Fragen von Frieden und Sicherheit?

Enderlin: Das Internationale Genf ist und bleibt ein zentraler Pfeiler der Schweizer Friedenspolitik. Sein einzigartiges Ökosystem – die Dichte an internationalen Organisationen, Forschungsinstitutionen und zivilgesellschaftlichen Akteuren – schafft eine kritische Masse, die Austausch, Innovation und neue Ansätze für Frieden fördert.

Die Geneva Peacebuilding Platform, Hauptorganisatorin der Geneva Peace Week, spielt dabei eine Schlüsselrolle: Sie vernetzt Akteure aus allen Bereichen und hat wesentlich dazu beigetragen, Wissen und Verständnis für Friedenskonsolidierung zu vertiefen. So bleibt Genf ein Ort, an dem sich Ideen in konkrete Handlungen übersetzen und multilaterale Zusammenarbeit täglich gelebt wird – eine Rolle, die der Bundesrat jüngst mit seinem Entscheid zur Stärkung des Internationalen Genf ausdrücklich bekräftigt hat.

Human Rights and Social Justice and Inclusion

In einem gemeinsamen Panel der Abteilung für Frieden und Menschenrechte (AFM) des EDA und des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) an der Geneva Peace Week diskutieren die Teilnehmenden die Frage, wie die Überprüfung der Friedensarchitektur die Rolle des Menschenrechtsökosystems in Prävention und Friedensförderung stärken kann. Im Mittelpunkt steht die diesjährige umfassende Überprüfung der UNO-Friedensarchitektur (Peacebuilding Architecture Review, PBAR). Dieser alle fünf Jahre stattfindende Prozess bewertet die Wirksamkeit bestehender Mechanismen zur Friedensförderung und identifiziert neue Ansätze zur Stabilisierung und Konfliktprävention. Das Panel knüpft an die Geneva Consultations an, die zu Beginn des Jahres vom EDA gemeinsam mit der Geneva Peacebuilding Platform (GPP) und Interpeace organisiert wurden. Ziel dieser Konsultationen war es, konkrete Handlungsempfehlungen für die Abschlussergebnisse der PBAR im Rahmen der UNO-Generalversammlung und des UNO-Sicherheitsrats zu entwickeln. Das Panel soll nun diese Diskussion weiterführen, indem es die Schnittstelle zwischen Menschenrechten und Friedensförderung in den Blick nimmt, Möglichkeiten für eine vertiefte Zusammenarbeit aufzeigt und so zu einem stärker integrierten Ansatz der Vereinten Nationen beiträgt.

Prevention and mediation

Während der GPW 2025 organisiert die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) zusammen mit der Abteilung für politische Angelegenheiten und Friedensförderung der Vereinten Nationen (DPPA) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) das Panel «Partnerships for peace: advancing nationally led conflict prevention efforts». Dort steht die Frage im Zentrum, wie nationale Akteure eine Vorreiterrolle bei der Konfliktprävention einnehmen können und inwiefern internationale Unterstützung, Partnerschaften und Finanzierungen dazu beitragen, nationale Präventionsinitiativen in nachhaltigen Frieden zu überführen.

Frieden und Sicherheit

In der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027 der Schweiz bildet «Frieden und Sicherheit» einen der thematischen Schwerpunkte. Frieden und Sicherheit sind die Grundlage für Wohlstand und nachhaltige Entwicklung. Denn Konflikte haben nicht nur lokale Folgen, sondern können sich sowohl direkt als auch indirekt auf die Schweiz auswirken und betreffen Aspekte wie Sicherheit, Wirtschaft und Migration.

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