27.09.2012

New York, 25. September 2012 - Rede von Bundesrat Didier Burkhalter - Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen

Wasser ist überall. Wasser ist Leben.

70 % der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt, und 65 % des menschlichen Körpers besteht aus Wasser. Wasser fällt vom Himmel, es fliesst, es füllt alle Ritzen, es berührt alles rund herum. Wasser betrifft nicht nur alles auf der Erde, sondern auch jeden Punkt auf unserer politischen Agenda. Wasser steht im Zentrum praktisch jeder globalen Herausforderung: Klimawandel, Gesundheit, Ernährung, Umwelt, Verkehr, politische Konflikte und vieles mehr sind unmittelbar mit der Wasserthematik verknüpft.

Deshalb möchte ich dem US-amerikanischen Aussenministerium, der EU-Kommission und UN Water danken für die Einberufung dieses Treffens zu einem Thema, das für uns alle sehr wichtig ist und das der Schweiz, dem Wasserschloss Europas, besonders am Herzen liegt.

Die globale Wasserkrise ist eines der dringendsten politischen, ökologischen und sozialen Probleme des 21. Jahrhunderts.

Die Krise ist vielschichtig. Die sinkende Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Wasser ist ein Aspekt der Krise. Es handelt sich aber auch um eine qualitative Herausforderung: Weltweit fliesst 80 % des Abwassers unbehandelt in die Umwelt.

Abwasserentsorgung ist ein unerlässlicher Bestandteil der Wasser-bewirtschaftung. Zudem geht infolge undichter Bewässerungssysteme weltweit 40 % des in der Landwirtschaft verwendeten Wassers verloren.

In vielen grenzüberschreitenden Einzugsgebieten bestehen grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren und Ländern, bei denen es sich allzu oft um fragile Staaten handelt, die sehr arm und von innerstaatlichen Konflikten betroffen sind.

Aus allen diesen Gründen wird das Thema des Wasserzugangs Auswirkungen auf die Ausgestaltung der politischen Beziehungen und Allianzen haben. In verschiedenen Flusseinzugsgebieten werden neue politische Verhaltensnormen und Prozesse entwickelt. Es ist dringend notwendig, dass man diese Entwicklungen besser versteht.

Wie ich zu Beginn sagte, fliesst Wasser überall und betrifft alles: Die Bekämpfung der Wasserkrise ist deshalb eine Frage der nationalen Sicherheit, des Wirtschaftswachstums, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Umweltleistungen, der sozialen Entwicklung, der Stadtplanung, der Wissenschaft und der Technologie.

Zur Bekämpfung der Wasserkrise müssen alle Akteure mobilisiert werden – Regierungen, internationale Organisationen, vor allem aber auch die Privatwirtschaft. Eine wichtige Rolle kommt dabei auch der Wissenschaft zu, und nicht zuletzt muss auch die Stimme der Armen besser vertreten sein.

Die Schweiz verfügt über einen anerkannten Leistungsausweis im Bereich internationale Solidarität und aktive Friedensförderung. Als Wasserschloss Europas ist die Schweiz um eine Vorbildfunktion bemüht. Wir investieren viel, um unseren Nachbarländern qualitativ gutes Wasser liefern zu können, und wir nehmen manchmal auch Überschwemmungen in Kauf, um grosse Katastrophen weiter flussabwärts zu verhindern.

Die Schweiz unterstützt die Anstrengungen zur Verbesserung der Wassersicherheit und setzt sich auf verschiedenen Ebenen für verwandte Aspekte wie Frieden, Menschenrechte, Wirtschaftswachstum und Umweltschutz ein.

Zur Bewältigung der Herausforderung schlagen wir Folgendes vor:

Erstens: Probleme aufgrund der ungleichen Wasserverteilung erschweren in vielen Regionen der Welt die Ausarbeitung und Umsetzung von grenzüberschreitenden Abkommen über die Bewirtschaftung von Wassereinzugsgebieten. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass national und international gemeinschaftliche Managementmechanismen eingerichtet werden.

Zudem müssen die Bewirtschaftung von Wasserressourcen, die politischen Entscheide und die Verhandlungen evidenzbasiert sein und auf qualitativ hochwertigen Wetter-, Wasser- und Landinformationen beruhen.

Die Schweiz kann beispielsweise die erfolgreichen Erfahrungen im Einzugsgebiet des Rheins einbringen. Hier wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine integrierte grenzüberschreitende Wasserbewirtschaftung eingeführt, die dazu beigetragen hat, dass eine früher umstrittene Region zu einer der friedlichsten Gegenden der Welt wurde.

Die Schweiz unterstützt die Entwicklung wirkungsvoller Instrumente für politische Verhandlungen und Koordination. Dazu gehören Wasser-diplomatie, hochrangige Kontakte und die finanzielle Beteiligung an konkreten Projekten in wichtigen Krisengebieten, wo das Risiko eines Wasserkonflikts hoch ist.

Die Schweiz finanziert zum Beispiel die Blue-Peace-Initiativen. So tragen wir im Nahen Osten und im Niltal dazu bei, aktuelle und künftige Fragen der Wassersicherheit zu klären.

Der im Februar 2011 veröffentlichte Bericht «The Blue Peace – Rethinking Middle East Water» konzentrierte sich auf innovative kurz-, mittel- und langfristige Massnahmen zur Verbesserung der Wasserbewirtschaftung. 

Blue Peace ist ein innovativer Ansatz, mit dem politische Entscheidungs-träger, Diplomaten und Bevölkerung angeregt werden sollen, gemeinsam nach Lösungen für eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung zu suchen.

Im Zentrum steht die Einigung über die sozio-ökonomischen, ökologischen und politischen Aspekte der Wassernutzung. Der Blue-Peace-Ansatz zielt darauf ab, Regelungen, Mechanismen und Institutionen zur grenz-überschreitenden Zusammenarbeit zu schaffen, mit denen politische Entscheidungsträger zwischen Wasser und anderen Entwicklungs-bedürfnissen abwägen können. So wird es für sie interessant, in die gemeinsame Sicherheit zu investieren.

Die Schweiz entwickelte den Blue-Peace-Ansatz in Zusammenarbeit mit Thinktanks aus Schwellenländern.

Zweitens: Zu dieser globalen Wasserkrise gehören auch 1 Milliarde Menschen ohne Trinkwasserzugang und 2,6 Milliarden Menschen ohne sanitäre Grundversorgung. Die UNO-Generalversammlung hat Wasser und Abwasserentsorgung als Menschenrecht anerkannt: Dies ist ein historischer Schritt und ein grundlegender Paradigmenwechsel. Die Herausforderung besteht nun darin, den Worten Taten folgen zu lassen.

Aufgrund der Tatsache, dass Wasser und Abwasserentsorgung nun ein Menschenrecht sind, hat das Trinkwasser auch eine besondere Stellung und Priorität in der Wasserbewirtschaftung. Mit Menschenrechten können auch Fragen der Ungleichheit, Verletzlichkeit und Marginalisierung angegangen werden. Sie stellen deshalb für die Schweiz eine Priorität dar.

Wasser ist zentral für die menschliche Entwicklung und muss deshalb ein nachhaltiges Entwicklungsziel für die Zeit nach 2015 werden!

Drittens: Das Jahr 2013 ist das Internationale Jahr der Zusammenarbeit im Wasserbereich. Es ist wichtig, dass Wasser zu einem wesentlichen Bestandteil der Agenda der menschlichen Sicherheit wird und nicht nur unter dem Aspekt seiner wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedeutung betrachtet wird. Deshalb setzt sich die Schweiz dafür ein, dass Wasser und Sicherheit in die globale UNO-Agenda aufgenommen werden. Wir unterstützen UN Water bei diesen Bemühungen, nicht nur 2013 sondern auch danach.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor einer grossen Herausforderung.

Es gibt weltweit genug Wasser, um diese Herausforderung zu bewältigen, aber wir müssen die gesamte Gesellschaft mobilisieren: den öffentlichen Sektor, die Privatwirtschaft, die Forschung und natürlich auch die Zivilgesellschaft.

Wir hoffen, dass wir mit unseren Initiativen das Vertrauen zwischen den Akteuren fördern können und dass wir mithelfen können, eine solide Grundlage für gute Beziehungen aufzubauen, damit Konflikte im Zusammenhang mit der Wasserbewirtschaftung künftig vermieden werden können.

Das Blue-Peace-Konzept kann uns helfen, eine neue Zukunft aufzubauen, und die «blaue Diplomatie» ist das Instrument dazu.

Ich danke Ihnen.


Weiterführende Informationen

Frieden durch Wasser


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Letzte Aktualisierung 29.01.2022

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